Herman Melville: Israel Potter

978-3-458-34536-7 Bei der gerade zurückliegenden erneuten Beschäftigung mit Melville für einen Vortrag über ihn und seinen Moby-Dick, ist mir in meinem Bücherschrank auch dieses Bändchen wieder begegnet. Es handelt sich um die erste der wenigen Übersetzungen aus der Feder Uwe Johnsons. Sie wurde zuerst 1961 in der DDR veröffentlicht, und wir dürfen getrost davon ausgehen, dass sie eine reine Brotarbeit darstellt. Nach nur wenigen Seiten habe ich begonnen, Johnsons Text mit dem Original abzugleichen, und nach etwa 50 Seiten die trostlose Lektüre abgebrochen.

Ein Beispiel von vielen Möglichen: Auf seiner Flucht als amerikanischer Kriegsgefangener auf dem Weg nach London begegnet Israel Potter zwei Gestalten, die er nach dem Weg fragt:

But conquering this fit, he marched on, and presently passed nigh a field, where two figures were working. They had rosy cheeks, short sturdy legs, showing the blue stocking nearly to the knee, and were clad in long, coarse, white frocks, and had on coarse, broad-brimmed straw hats. Their faces were partly averted.
„Please, ladies,“ half roguishly says Israel, taking off his hat, „does this road go to London?“
At this salutation, the two figures turned in a sort of stupid amazement, causing an almost corresponding expression in Israel, who now perceived that they were men, and not women. He had mistaken them, owing to their frocks, and their wearing no pantaloons, only breeches hidden by their frocks.
„Beg pardon, lads, but I thought ye were something else,“ said Israel again.
Once more the two figures stared at the stranger, and with added boorishness of surprise.
„Does this road go to London, gentlemen?“
„Gentlemen—egad!“ cried one of the two.
„Egad!“ echoed the second.
Putting their hoes before them, the two frocked boors now took a good long look at Israel, meantime scratching their heads under their plaited straw hats.
„Does it, gentlemen? Does it go to London? Be kind enough to tell a poor fellow, do.“
„Yees goin‘ to Lunnun, are yees? Weel—all right—go along.“
And without another word, having now satisfied their rustic curiosity, the two human steers, with wonderful phlegm, applied themselves to their hoes; supposing, no doubt, that they had given all requisite information.

Diese Miniatur englischen Landlebens übersetzt Johnson wie folgt:

Aber er bezwang diese Anwandlung und marschierte weiter. Bald kam er an einem Feld vorbei, auf dem zwei Gestalten arbeiteten. Sie waren rotbackig, klein von Wuchs, mit kräfti- gen Beinen, an denen die blauen Strümpfe bis zum Knie zu sehen waren, und trugen grobe weiße Kittel und plumpe breitrandige Strohhüte. Ihre Gesichter waren halb abge- wandt.
»Bitte, meine Damen«, sagte Israel halb schalkhaft und nimmt seinen Hut ab, »geht diese Straße nach London?«
Bei dieser Anrede drehten die Gestalten sich einfältig erstaunt um und verursachten in Israel ein nahezu ähnliches Gefühl, denn nun merkte er, daß es nicht Frauen waren, sondern Männer. Er hatte sie verwechselt, weil sie Kittel und statt der langen Hosen Breeches trugen, die der Rock aber verdeckte.
»Entschuldigen Sie, meine Damen, aber ich habe Sie verwechselt«, sagte Israel.
Sie starrten ihn weiter an. Ihre Verwunderung wuchs.
»Führt diese Straße nach London, meine Herren?«
»Herren! Meiner Treu!« rief der eine aus.
»Meiner Treu!« wiederholte der andere.
Die beiden bekitteken Landleute stellten ihre Hacken vor sich auf, kratzten sich am Kopf unter ihren geflochtenen Strohhüten und betrachteten Israel eingehend.
»Ja, meine Herren? Geht sie nach London? Seien Sie doch nett zu einem armen Kerl, sagen Sie es mir doch.«
»Sie wolln nach London, nich? Jaja – stimmt schon. Gehn Sie nur weiter.«
Und ohne ein weiteres Wort beugten diese beiden menschli- chen Stiere in ihrer erstaunlichen Gemütsruhe sich wieder über ihre Hacken, als sie ihre bäurische Neugier befriedigt hatten. Ohne Zweifel glaubten sie, sie hätten alle erforderliche Auskunft gegeben.

Es gibt nicht so sehr viel in dieser Passage, was wirklich gut übersetzt wäre; mindestens zwei der Pointen versaut der Übersetzer offenbar aufgrund seines mangelhaften Textverständnisses: Die zweite Anrede der beiden Bauern mit »Damen« ist eine grobe Fehlübersetzung des englischen »lads«, wofür in diesem Zusammenhang das deutsche »Kumpels« oder »Kameraden« eingesetzt werden müsste, je nachdem wie ungeschickt man Israel Potter im Deutschen sprechen lassen möchte. Aufgrund der Tatsache, dass auch diese joviale Ansprache keine Reaktion hervorbringt, wechselt Potter nun die Tonart und versucht es mit der Anrede »Gentlemen«, was die beiden Bauern zu dem Ausruf »Egad« veranlasst, was in keinem Zusammenhang »Meiner Treu« bedeutet, sondern ein verschliffenes »O God« darstellt und also vielleicht mit »Ojott« wiederzugeben wäre.

Die abschließende Auskunft der beiden – “Yees goin’ to Lunnun, are yees? Weel—all right—go along.” – versteht Johnson auch wieder nicht. Abgesehen von dem Problem, dass er den schweren Akzent der Bauern auf ein paar Verschleifungen reduziert, lautet die Antwort eben nicht »stimmt schon«, sondern vielmehr: »Se wolln na Londen, nich? Na jut, meins wejen, jehnse.« Daraus ergibt sich dann nämlich auch zwanglos die abschließende Feststellung, die beiden glaubten, »alle erforderliche Auskunft« gegeben zu haben, was sie in Johnsons Fassung auch tatsächlich getan haben, bei Melville aber gerade eben nicht.

Das hier demonstrierte Niveau ist typisch für Johnsons Übersetzung. Deutsche Leser sollten besser die Finger von dem Buch lassen. Die anderen Übersetzungen, etwa von Richard Mummendey, Walter Weber oder Gunter Böhnke, habe ich bislang nicht angeschaut. Aber vielleicht liefert ja auch Hanser innerhalb seiner Melville-Auswahl noch eine Neuübersetzung dieses Textes.

Herman Melville: Israel Potter. Aus dem Amerikanischen von Uwe Johnson. Insel Taschenbuch 2836. Frankfurt/M.: Insel, 2002. 248 Seiten. 9,00 €.

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