John le Carré: Tinker Tailor Soldier Spy

LeCarreSmiley.jpgDer erste von drei Romanen um George Smiley, die die Karla-Trilogie (“The Quest for Karla”) bilden. Neben dieser Trilogie existieren noch zwei weitere Romane vom Anfang der 60er Jahre mit Smiley als Protagonisten: Call for the Dead” und “A Murder of Quality” (in denen er allerdings noch etwa zehn Jahre älter ist). Angeregt durch die in jeder Hinsicht brillante Verfilmung durch Tomas Alfredson habe ich mir den knapp 1.600 Seiten umfassenden Sammelband der Trilogie – “Smiley Versus Karla” – zugelegt und nach ungefähr 35 Jahren le Carrés Klassiker “Tinker Tailor Soldier Spy” noch einmal gelesen; die beiden anderen Teile sollen in nächster Zeit folgen.

Le Carrés Spionage-Thriller bilden, ob gewollt oder unfreiwillig, eine exakte Gegenfolie zur Welt des MI6-Agenten Bond, James Bond. George Smiley ist nicht nur äußerlich ein typischer Buchhalter, er ist es auch seiner Methode nach: Langsam, gründlich, unwiderstehlich. Zu Anfang von “Tinker Tailor Soldier Spy” (1974) befindet er sich im Ruhestand; er ist zusammen mit seinem Vorgesetzten, dem Chef des Geheimdienstes MI6 Control, von dem nicht einmal sein vertrautester Mitarbeiter Smiley den bürgerlichen Namen kannte, aus dem Dienst entlassen worden. Anlass der Entmachtung Controls war die missglückte Operation Testify, bei der der Agent Jim Prideaux in der Nähe von Brno (Brünn) in der Tschechoslowakei angeschossen und gefangen genommen wurde. Control ist nur wenige Monate nach seiner Entmachtung gestorben, und George Smiley lebt ein geordnetes, diszipliniertes und vollständig langweiliges Pensionistenleben, nachdem ihn auch seine Frau Ann einmal mehr verlassen hat.

Doch er bekommt unerwartet einen Auftrag durch den für den Geheimdienst zuständigen Staatssekretär Oliver Lacon: Einer der Auslandsagenten des MI6, Ricky Tarr, ist nach sechs Monaten überraschend wieder in London aufgetaucht und hat Kontakt zu seinem Agentenführer Peter Guillam, einem ehemaligen Vertrauten Smileys, aufgenommen. Tarr erzählt die Geschichte der gescheiterten Anwerbung einer sowjetischen Agentin in Istanbul, die vorgegeben hatte, einen Doppelagenten in der Führungsriege des MI6 enttarnen zu können. Tarr hatte dies an die Zentrale in London, den sogenannten Circus (benannt nach seiner Adresse, dem Cambridge Circus) gemeldet, doch bevor er die Agentin in Sicherheit bringen kann, wird sie von den Sicherheitsbeamten der Delegation, der sie angehört, nach Moskau verfrachtet. Tarr ist klug genug, dies rasche Verschwinden als eine Bestätigung des Verdachts zu verstehen, dass sich ein Doppelagent in der Spitze des MI6 befindet, und taucht daher selbst unter. Erst die Befürchtung, dass ihm russische Agenten auf den Fersen sind, veranlasst ihn, nach London zurückzukehren.

Lacon beauftragt nun  Smiley als einen Außenstehenden damit, den möglichen Doppelagenten zu enttarnen; dabei arbeitet Smiley mit Peter Guillam, der die Vorgeschichte ohnehin kennt, und seinem alten Freund Kommissar Mendel zusammen. Ein Großteil seiner Agententätigkeit besteht, wie schon gesagt, aus Aktenstudium, dem Erstellen von Chronologien und dem diskreten Befragen von Zeugen. Stück für Stück erarbeitet er sich ein vollständiges Bild von den Vorgängen in den letzten Monaten unter Controls Führung, bis er schließlich in der Lage ist, dem Doppelagenten eine Falle zu stellen und ihn zu enttarnen.

Dabei geht es le Carré aber weniger um die Methode selbst als vielmehr um die Erinnerungen Smileys, seine Einschätzungen der anderen Mitspieler dieses Spiels, seine eigene berufsbedingte Paranoia und die der anderen, seine Gefühle für seine Frau Ann, die ein Verhältnis mit einem seiner Freunde hatte, Bill Haydon, der zugleich einer der Verdächtigen ist usw. usf. Was die Qualität der Agenten-Romane le Carrés immer ausgemacht hat, war die weitgehende Gleichgültigkeit des Plots – der dennoch immer präzise konstruiert ist – und die differenzierte Darstellung der reduzierten Innenwelt der Protagonisten. Hinzukommt le Carrés gewählte und immer genau auf den jeweils Sprechenden zugeschnittene Sprache. Von daher sind auch le Carrés Romane der 60er und 70er Jahre ein hübsches Beispiel für Dürrenmatts poetologische Formel für den Kriminalroman: Kunst da zu tun, wo sie niemand vermutet.

John le Carré: Tinker Tailor Soldier Spy. In : Smiley Versus Karla. S. 1–422. London: Hodder & Stoughton, 2011. Broschur, 1582 Seiten. Ca. 26,– €.

Das kongolesische Zebra

carre_zebraNach sicherlich mehr als 20 Jahren wieder einmal einen John le Carré gelesen; eigentlich sollte es »The Constant Gardener« werden, auch weil mir der Film recht gut gefallen hatte, aber dann ist mir »Geheime Melodie« in die Hand gefallen, und die Faulheit hat mich dazu getrieben, das deutsche statt des englischen Buchs zu lesen.

Worum geht’s? Bruno Salvador, ein im Kongo von einem Missionar gezeugter und dann als vorgebliche Waise in einem Kinderheim unter der Aufsicht seines ihn verleugnenden Vaters aufgewachsener junger Mann mit großem Sprachtalent wird in England Dolmetscher für diverse bekannte und unbekanntere afrikanischische Sprachen. Er wird vom englischen Geheimdienst engagiert und gerät so eines Tages auf eine geheime Konferenz, auf der divergierende Interessengruppen des Kongos versuchen, unter der Leitung des alternden, chrasmatischen Führers Mwangaza einen Staatsstreich in einer Teilregion des Kongo zu organisieren. Treibende Kraft hinter diesem Komplott ist ein anonymes Konsortium, das sich im Gegenzug für die zur Verfügung gestellten Waffen an den Bodenschätzen des Kongo bereichern will.

Bruno Salvador nutzt am Ende der Konferenz eine Gelegenheit mehrere Cassetten mit Mitschnitten der Konferenz zu stehlen, in der Absicht, einen neuerlichen Krieg im Kongo zu verhindern. In dieses Vorhaben wird auch Brunos neue Freundin Hannah verstrickt, die er erst am Tag vor der geheimen Konferenz kennengelernt hat. Auch sie stammt aus dem Kongo und ist eine Bewunderin des Mwangaza. Nach einige nicht sehr spannenden Verwicklungen endet der versuchte Staatsstreich in einem Desaster und Hannah und Bruno werden in den Kongo abgeschoben. Dort wird alles gut.

Ja und? Ein routiniert geschriebener, nicht sehr spannender Roman, der weder in den Haupt- noch in den Nebenfiguren besonders überzeugt. Der Ich-Erzähler ist eine höchst naive Figur, die sich überrascht sieht, dass alle Personen, von denen er Hilfe erwartet, mehr oder weniger in die Abläufe verstrickt sind, obwohl er zuvor schon weiß, dass sie mehr oder weniger in die Abläufe verstrickt sind. Die interessanteste Figur des Buches, Hannah, kommt nur auf etwa 10 % der Seiten überhaupt vor und ist dann auch noch seitenweise mit irgendwelchen Liebeshändeln beschäftigt. Wenn sie schließlich auf offener Straße entführt wird, stellt sich dies als wesentlich harmlos heraus. Überhaupt scheint das Buch von der realistischen Annahme auszugehen, dass »Helden« nicht nur überflüssig, sondern gänzlich unglaubwürdig sind. Das wenigstens könnte man goutieren.

Immerhin ist es erstaunlich, dass le Carré mit weit über 70 Jahren noch die Mühe auf sich nimmt, Romane zu schreiben. Vielleicht lege ich in Kürze »The Constant Gardener« wenigstens mal auf den Nachttisch.

John le Carré: Geheime Melodie. Aus dem Engl. von Sabine Roth und Regina Rawlinson. List, 2006. Pappband, 415 Seiten. 22,– €.