Max Frisch / Friedrich Dürrenmatt: Briefwechsel

978-3-257-06174-1 Ein mit 36 Briefen dünner Briefwechsel dieser beiden prominentesten Schweizer Autoren des vergangenen Jahrhunderts, den ich aus didaktischem Anlass wieder einmal aus dem Schrank geholt habe. Natürlich erklärt sich der geringe Umfang hauptsächlich daraus, dass Frisch und Dürrenmatt sehr vieles mündlich verhandelt haben bzw. sich später nur noch wenig zu sagen hatten. Man merkt beiden am Ende die gute Absicht an, mit der der jeweils andere nichts mehr anzufangen weiß. Dennoch waren sie wohl bis zum Schluss mit dem Gegenüber innerlich mehr beschäftigt, als es die äußerlich bleibenden Briefe ahnen lassen.

Daher ist das beinahe Wichtigste an dem Buch der umfangreiche Essay Fast eine Freundschaft des Herausgebers Peter Rüedi, der die Bekanntschaft der beiden Autoren sorgfältig aufarbeitet und darstellt. Rüedi hat zudem die einzelnen Briefe sorgfältig kommentiert, so dass das Bändchen eine Fülle von biografischen Materialien zu beiden Autoren liefert. Die Texte sind ergänzt um einige Brief-Faksimiles und Bilder sowie eine parallele Chronik zu beiden Autoren. Ein Personen- und Werkregister erschließt das Buch.

Max Frisch / Friedrich Dürrenmatt: Briefwechsel. Hg. v. Peter Rüedi. Zürich: Diogenes, 1998. Leinen, Lesebändchen, 240 Seiten. 19,90 €.

Max Frisch: Schwarzes Quadrat

frisch_quadratDas Bändchen bringt erstmals zwei Poetik-Vorlesungen aus dem Nachlass von Max Frisch, die im November 1981 am New Yorker City College vor großem Publikum gehalten wurden. Die erste Vorlesung thematisiert in der Hauptsache das Verhältnis von Fiktion und Erfahrung, die Fragen nach dem Grund des Schriftstellerseins und nach der konkreten Arbeitsweise Frischs. Die zweite kreist um Fragen nach der gesellschaftlichen und politischen Verantwortung des Schriftstellers sowie nach der Wirkung von Literatur bzw. Kunst schlechthin.

Aus dem zuletzt genannten Thema heraus gewinnt das Bändchen auch seinen Titel: Frisch erzählt die Anekdote eines Handels-Ambassadors, der in Petersburg nach erfolgreichem Abschluss seiner Verhandlungen mit offizieller Begleitung die Eremitage besucht und es dahin bringt, dass man für ihn auch Malewitschs Schwarzes Quadrat – eine radikale Absage an die Gegenständlichkeit in der Malerei – aus dem Keller holt:

Schliesslich durfte der Ambassador es sehen für ein paar Minuten. Ein schwarzes Quadrat. Und sie begeisterten sich beide vor Malewitsch. Aber ich verstehe, sagte der Ambassador, ich verstehe, das würde dem sowjetischen Volk nichts bedeuten, sowenig wie dem schweizerischen, ein Quadrat und schwarz und weiter nichts, warum hängt ihr das nicht ein Mal neben die Gemälde des Sozialistischen Realismus, wo das sowjetische Volk sich erkennt bei der Arbeit für die Gesellschaft, und das Volk würde sehen, Malewitsch ist Quatsch! Die Dame hörte zu. Im Ernst, sagte der Ambassador, Sie brauchen doch Malewitsch nicht im Keller zu verstecken, das Volk würde ihn gar nicht ansehen! Die Dame lachte: Sie irren sich – das Volk könnte nicht verstehen, wozu dieses schwarze Quadrat, aber es würde sehen, dass es noch etwas anderes gibt als die Gesellschaft und den Staat.

Dies illustriert die von Frisch vertretene Ansicht, die Literatur bzw. die Kunst überhaupt bilde keine Gegenmacht, sondern eine »Gegen-Position zur Macht«. Dies und das abschließende »Manifest« zur Poesie sind die spannendsten Teile der beiden Vorlesungen.

Das Büchlein ist sicherlich nur etwas für eingeschworene Frisch-Leser, die auch an seinen poetologischen Gedanken Interesse haben oder ihre Bibliothek vervollständigen wollen. Ich habe es aus einer alten Sentimentalität heraus gekauft und gelesen und einmal mehr bemerkt, wie sehr sich die literarische Wahrnehmung mit der Zeit wandelt: Ich scheine den Punkt meiner größten Entfernung von Frisch bereits durchlaufen zu haben.

Max Frisch: Schwarzes Quadrat. Zwei Poetikvorlesungen. Hg. v. Daniel de Vin unter Mitarb. v. Walter Obschlager. Mit einem Nachwort v. Peter Bichsel. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 2008. Broschur, 93 Seiten. 14,80 €.