Wilhelm Weischedel: Die philosophische Hintertreppe

978-3-423-19511-9Nicht die aktuelle Lektüre, sondern eine neue Ausgabe des Buches ist der Anlass für diesen Artikel, und auch nicht der Inhalt, sondern mehr die Aufmachung. Der Deutsche Taschenbuch Verlag hat eine sehr schön gestaltete Jubiläumsreihe herausgebracht: Flexible, bedruckte Leineneinbände schmücken Klassiker und Erfolgsbücher des Verlags. Darunter in der Sachbuch-Reihe eben auch Weischedels inzwischen betagte, aber dennoch ungebrochen beliebte Einführung in die Philosophie.

Allerdings scheinen mit dem Buchhersteller in diesem Fall die visuellen Pferde durchgegangen zu sein, denn wie oben zu sehen ist, ist ihm die Hintertreppe doch etwas pompös geraten. Wenn das, was auf dem Umschlag zu sehen ist, tatsächlich die Hintertreppe sein sollte, was muss das für ein gargantueskes Gebäude sein und wie muss man sich erst das Haupttreppenhaus denken?

Andererseits könnte man hier einen Fall von subtilem Humor vermuten. Vielleicht hat er sich gedacht, dass das Gebäude der Philosophie, über mehrere Jahrtausende gewachsen, tatsächlich mittlerweile ein so pompöser und stilistisch heillos ruinierter Bau sein muss, dass es doch sein könnte, dass dieser prachtvolle und ehemals repräsentative Zugang schon seit langem als Hintertreppe dient. Dann könnte hier sogar eine kleine Erkenntnis versteckt sein, dass nämlich die allermeisten Leser philosophischer Einführungen niemals über diese hinauskommen. Sie lesen dann von Zeit zu Zeit mit immer größerer Ratlosigkeit eine Einführung um die andere, aber jedes Mal wenn sie dann endlich zur eigentlich Türe hinein wollen, finden sie sie so verschlossen wie beim letzten Versuch. So optimistisch einen solche Einführungen auch immer stimmen mögen, kaum eine von ihnen führt tatsächlich ins Gebäude hinein. Das gilt leider auch für Weischedels nette und durchaus anspruchsvolle »Hintertreppe«. Nachdem man auf ihr hinauf gestiegen ist, findet man, dass das Gebäude der Philosophie zwar eine Hintertreppe haben mag, aber keinen Dienstboteneingang.

In diesem Sinne sei das Buch wärmstens empfohlen!

Wilhelm Weischedel: Die philosophische Hintertreppe. Die großen Philosophen in Alltag und Denken. dtv 19511. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 2011. Bedrucktes Leinen, 336 Seiten. 10,– €.

Lutz van Dijk: Geschichte der Juden

978-3-593-38537-2 Eine kurze, für Jugendliche verfasste Geschichte des jüdischen Volkes von den babylonischen Anfängen bis zur Gegenwart. Die Darstellung konzentriert sich in den verschiedenen Epochen immer wieder auf einzelne Figuren, die entweder in erfundenen Monologen oder aber auch mit ihren eigenen Schriften zu Wort kommen. So berichtet einerseits etwa Abrahams Sklavin Hagar davon, wie sie die Mutter Ismaels wurde, oder Aaron erzählt, wie es zum Tanz um das goldene Kalb kam. Andererseits kommen zum Beispiel Anne Frank und Hanna Arendt in Zitaten zu Wort.

Das Buch kann seinen Charakter als Jugendbuch nicht verleugnen, ist aber auch für erwachsene Leser als eine erste, rasche Einführung ins Thema durchaus geeignet.

Lutz van Dijk: Geschichte der Juden. Frankfurt/M.: Campus 32008. Pappband, 213 Seiten. 19,90 €.

Thomas Nagel: Was bedeutet das alles?

978-3-15-010682-2 Auch dieser Band entstammt der Reihe A Very Short Introduction der Oxford University Press. Das Schöne an dieser »ganz kurzen Einführung in die Philosophie« ist, dass sie dem akademischen Betrieb gänzlich fernsteht. Sie ist geschrieben für Menschen, die von Philosophie, ihren Methoden und Fragestellungen nur eine geringe oder gar keine Vorstellung haben. Nagel entwickelt an neun klassischen Themen der Philosophie – Erkenntnis, das Bewusstsein anderer, Leib/Seele, die Bedeutung von Wörtern, Willensfreiheit, Recht und Unrecht, Gerechtigkeit, Tod und Sinn des Lebens – jeweils eine Reihe von Antworten, die er immer wieder sokratisch hinterfragt, abwandelt und von anderer Seite neu aufgreift. Wie nebenbei markiert er in wenigen Worten treffsicher bestimmte philosophische Positionen, ohne dabei in irgendwelche ideologischen Debatten abzuschweifen.

So liefert er eine schlichte und gut verständliche Einführung in Kernbestände philosophischen Denkens, ohne Anspruch darauf, auch gleich Antworten bereit zu halten. Im ganzen Buch fällt – wenn ich es richtig erinnere – nicht ein einziger Name eines Philosophen. Alles bleibt auf die Sache bezogen, nichts wird historisiert. Das könnte man unangemessen finden, da philosophische Antworten natürlich immer zugleich auch historische Antworten sind. Dem steht entgegen, dass Nagel mit dieser Vorgehensweise das Feld der Philosophie gerade jenen öffnet, die zwar an einer Auseinandersetzung mit den Fragestellungen interessiert sind, die aber nicht gleich den gesamtem Ballast der Philosophiegeschichte mit stemmen wollen.

Ein frischer, origineller und weitgehend voraussetzungsloser Zugang zur Philosophie.

Thomas Nagel: Was bedeutet das alles? Eine ganz kurze Einführung in die Philosophie. Aus dem Englischen übersetzt von Michael Gebauer. Stuttgart: Reclam, 2008. Pappband, 108 Seiten. 6,90 €.

Frank Zumbach: Joyce’ Ulysses

3-492-23138-1 Kurze Einführung in den Ulysses von James Joyce, deren Hauptintention in einer Hilfestellung für Erstleser liegt. Dafür ist das Büchlein gut geeignet, wenn es mir auch zu wenig systematisch ist. Auch das große Gewicht, das Zumbach auf die autobiografische Unterfütterung des Textes legt, scheint mir für eine solche Einführung verfehlt. Aber das sind Ansätze, die sich aus der jeweils individuellen Begegnung mit dem Ulysses ergeben; da muss am Ende jeder Leser seinen eigenen Gang gehen.

Der Hauptteil des Buches erzählt die Handlung des Ulysses kapitelweise nach. Das ist für Einsteiger wahrscheinlich die wichtigste Orientierungshilfe.  Auch die Anspielungen auf die Episoden der Odyssee und die Referenz der einzelnen Kapitel auf Körperteile und Organe erläutert Zumbach. Die Nacherzählungen sind hier und da etwas lückenhaft, an anderer Stelle, so etwa beim Circe-Kapitel, muss man der Leistung des Nacherzählers aber durchaus Respekt zollen.

Den einzigen wirklichen Mangel würde ich darin sehen, dass Zumbach ein Grundprinzip der Textgestaltung nicht deutlich genug herausarbeitet: Im Ulysses wird nicht die Form an den Inhalt angepasst, sondern die Form erzeugt den Inhalt. So ist es zum Beispiel nicht so, dass Bloom in Nausikaa nach Sandymount versetzt wird, weil die Familie Dignam dort wohnt, sondern die Familie Dignam wohnt dort, damit das nachfolgende Kapitel, Die Rinder des Sonnengottes, mit der Formel »Deshil Holles Eamus« beginnen kann. »Deshil« meint hier nämlich soviel wie »der Sonne entgegen«, englisch »sunward«, was zugleich eine Anspielung darauf ist, dass sich Leopold Bloom nun seinem geistigen Sohn Stephen Dedalus nähert. Daher muss Leopold Bloom nach Westen gehen, der untergehend Sonne entgegen, und deshalb verfrachtet ihn Joyce an den Strand von Sandymount. Es ist im Ulysses die Sprache, die die Fabel hervorbringt, nicht umgekehrt.

Unverständlich ist, warum das Bändchen nicht lieferbar ist, da offenbar eine erhebliche Nachfrage besteht. Bei Amazon werden derzeit für gebrauchte Exemplare Fantasiepreise von knapp 50,– € bis über 80,– € verlangt. Es sei an dieser Stelle nochmals beklagt, dass Suhrkamp Hugh Kenners Buch über den Ulysses – bei Amazon schon für 2,90 € zu bekommen – nicht mehr druckt, das meiner unmaßgeblichen Meinung nach immer noch die beste Einführung ins Buch liefert.

Frank Zumbach: Joyce’ Ulysses. Serie Piper 3138. München: Piper, 32004. 144 Seiten. 7,90 €.

Nicholas Boyle: Kleine deutsche Literaturgeschichte

978-3-406-58663-7 Der Band entstammt der Reihe der Oxford University Press A Very Short Introduction, aus der hier zuletzt Bände von Leofranc Holford-Strevens und Harry Sidebottom vorgestellt wurden. Nicholas Boyle ist in Deutschland bekannt durch seine großangelegte, bislang aber fragmentarisch gebliebene Goethe-Biografie. Seine Kleine deutsche Literaturgeschichte zielt wohl in der Hauptsache auf Studenten des Blütenfachs Germanistik an englischen und amerikanischen Universitäten. Es ist daher verständlich, dass Boyle einen bedeutenden Teil des Bändchens darauf verwendet, die historischen und sozialen Bedingungen zu vermitteln, unter denen die deutsche Literatur entstand. Dabei werden die Literaturen Österreichs und der Schweiz in kurzen getrennten Kapiteln behandelt, die allein vom Umfang her nur als ungenügend bezeichnet werden können.

Aber auch die im engeren Sinne deutsche Literatur wird in einer so abstrakten und oberflächlichen Weise vorgeführt, dass bezweifelt werden darf, ob das Buch überhaupt jemandem einen angemessenen Eindruck der deutschen Literatur vermittelt. So führt Boyle etwa die wichtigen Entwicklungen des 18. Jahrhunderts, die sich heute in der deutschen Literatur als wirksam zeigen, ausschließlich auf einen Konflikt innerhalb des bürgerlichen Lagers zurück: Hier habe es einen gesellschaftlichen Gegensatz von Staatsbeamten einerseits, die eine rationalistische Aufklärung betrieben hätten, und einer bürgerlich-liberale Aufklärung andererseits gegeben. Eine solche Dichotomie, die als hauptsächliches Erklärungsmuster Boyles bis ins 19. Jahrhundert hinein dienen muss, greift für die komplexe Lage des geistigen Umbruchs im 18. Jahrhundert offenbar zu kurz. Sie negiert, dass sich die Emanzipation des Bürgertums gegen eine höfisch geprägte Kultur mit zahlreichen aufklärerischen Bestrebungen kreuzt und auf diese Weise die unterschiedlichsten Position hervorbringt. Lessings Die Erziehung des Menschengeschlechts etwa als »Demontage der christlichen Heiligen Schriften« zu charakterisieren, beweist ein grundlegendes Unverständnis für bedeutende Teile der deutschen Aufklärung, zu deren Hauptforce neben Lessing auch Kant gehörte. Während sich diese deutschen Aufklärer einem französischen Projekt der Ersetzung des Christentums durch einen Kult der Vernunft gegenübersahen, versuchten sie selbst zu zeigen, dass sich Vernunft und ein Kernbestand an göttlicher Offenbarung nicht widersprachen, sondern als einander ergänzend gelesen werden konnten.

Als ebenso fragwürdig muss der Versuch angesehen werden, die Romantik in eine kritisch-fortschrittliche und eine »preußisch-eskapistische« aufteilen zu wollen. Die Behandlung Tiecks, Hoffmanns und Eichendorffs als Vertreter letzterer Richtung, die auf nicht mehr als 1½ Seiten geschieht, wird weder deren Einzelwerken noch deren Entwicklung innerhalb der Romantik in irgendeiner Weise gerecht.

Da sich Boyle nicht nur der Belletristik widmet, sondern sich immer auch Ausflüge in die Philosophie erlaubt, lässt sich leicht denken, dass man eine Rezension des Bändchen allein mit der Aufzählung all jener Schriftsteller füllen könnte, die Boyle nicht einmal erwähnt. Wenn dem wenigstens eine empathische und sinnvermittelnde Behandlung der erwähnten Werke gegenüberstünde, so wäre dies verzeihlich. Da Boyles Darstellung aber abgehoben und akademisch bleibt, ist das Buch für deutsche Leser überflüssig, und für die englischsprachige Welt ist seine Existenz nur zu bedauern.

Nicholas Boyle: Kleine deutsche Literaturgeschichte. Aus dem Englischen von Martin Pfeiffer. München: C. H. Beck, 2009. Pappband, 272 Seiten. 17,90 €.

Kleine Geschichte der Zeitrechnung …

holford-streven_zeitrechnun … und des Kalenders. Eine kurze, dichte und informative Einführung in das Gebiet von Leofranc Holford-Strevens, einem der beiden Autoren des hervorragenden Oxford Companion to the Year. Behandelt werden alle wichtigen Details der bedeutenden Kalendersysteme von der Antike (inklusive des präkolumbischen Kalenders Mittelamerikas) bis in die Neuzeit; selbst einige afrikanischen Besonderheiten finden Erwähnung. Das Kapitel zur Historie der Osterberechnung ist das ausführlichste und beste, das ich bislang in einer vergleichbaren Veröffentlichung gelesen habe. Ebenso findet man wohl nirgendwo sonst eine so knappe und zugleich detaillierte chronologische Darstellung der Einführung des Gregorianischen Kalenders in Europa.

Für alle, die sich für verschiedene Kalendersysteme interessieren oder mit ihnen im Sinne einer Hilfswissenschaft umgehen müssen, stellt diese Einführung eine kleine und preiswerte Alternative zum Oxford Companion dar, natürlich ohne diesen ersetzen zu können. Aber auf sehr viele Fragen wird man schon hier eine Antwort finden.

Leofranc Holford-Strevens: Kleine Geschichte der Zeitrechnung und des Kalenders. Aus dem Englischen übersetzt von Christian Rochow. RUB 18483. Stuttgart: Reclam, 2008. 192 Seiten. € 5,–.

Harry Sidebottom: Der Krieg in der antiken Welt

sidebottom_krieg Eine interessante kleine Studie, wenn mich auch der Titel zuerst ein wenig in die Irre geleitet hat. Das Buch beschäftigt sich mit dem »Krieg in der antiken Welt« selbst eher unsystematisch; in der Hauptsache handelt es vom ideologischen Konzept der »abendländischen Art der Kriegführung«. Dies soll nicht bedeuten, das Buch sei nicht informativ; das Gegenteil ist der Fall. Nur wird die Darstellung der antiken Sachverhalte nicht in einer vermeintlich objektiven und neutralen Art und Weise versucht, sondern sie werden stets durch eine spezifische Interpretation dieser Sachverhalte vermittelt. Diese Interpretationen können sowohl der Antike selbst als auch der neueren Geschichtsschreibung entstammen. Dabei ist Sidebottom nicht kleinlich, was die Art der »Geschichtsschreibung« angeht: An gleich drei Stellen ist Ridley Scotts Film »Gladiator« Auslöser seiner Ausführungen.

Hat man sich einmal auf den ideologiekritischen Ansatz des Autors eingelassen, so liefert das Buch zahlreiche interessante Aspekte des antiken Kriegswesens. Die Mehrzahl der Beispiele entstammt der griechischen und römischen Antike; Perser, Germanen, Gallier etc. kommen nur insoweit vor, als sie Gegner der Griechen oder Römer waren und damit zugleich auch ihr ideologisches Gegenbild darstellten. Behandelt werden sowohl der Krieg als Aspekt der griechischen und römischen Gesellschaften, als Teil ihres Selbstverständnisses, aber auch der konkrete Aufbau der Armeen, ihre Kampftechniken, Probleme der Logistik und der Ökonomie.

Insgesamt eine lesenswerte und anregende Einführung in das Thema mit einem anspruchsvollen Ansatz, die aber die Erwartungen historischer Laien wohl nur teilweise erfüllen wird.

Harry Sidebottom: Der Krieg in der antiken Welt. Aus dem Englischen übersetzt von Florian Himmler. RUB 18484. Stuttgart: Reclam, 2008. 224 Seiten. € 5,60.

Bill Bryson: Eine kurze Geschichte von fast allem

bryson_geschichteEine gut lesbare, erstaunlich differenzierte und breit angelegte populärwissenschaftliche Darstellung des momentanen naturwissenschaftlichen Weltbildes. Mir ist klar, dass ich damit nichts originelles über das Buch sage, aber ich muss mich in diesem Fall einfach der allgemeinen Zustimmung anschließen. Das Buch zeichnet sich erst einmal dadurch aus, dass man seine 600 Seiten tatsächlich gern liest: Jedes Thema wird spannend präsentiert, und es gibt nirgends ein Nachlassen der Neugier des Autors, ganz gleich ob es um astronomische, physikalische, biologische oder geologische Themen geht. Vielleicht fühlen sich die Chemiker ein wenig vernachlässigt, denn ihr Gebiet kommt nur in Sinne einer Hilfswissenschaft z. B. bei der Erörterung biologischer Vorgänge innerhalb der Zelle vor.

Was mir das Buch so besonders bemerkenswert gemacht hat, ist aber nicht allein das in ihm aufbereitete Wissen, sondern die Tatsache, dass das Nichtwissen nahezu gleichberechtigt thematisiert wird. Bryson zeigt nicht nur auf, was in den wenigen hundert Jahren naturwissenschaftlicher Arbeit erkannt wurde, sondern er erzählt auch immer von den Schwierigkeiten, auf die neue Einsichten trafen, von der Neigung der Wissenschaftler zum Status quo ihres Fachgebiets, aber auch von dem, was uns an Erkenntnissen alles noch fehlt. Bryson macht klar, dass das heutige wissenschaftliche Weltbild nur einen Augenblick eines im Fluss befindlichen Projektes darstellt, dass sich mit jeder Antwort auf eine alte Frage zumindest eine, oft aber eine ganze Reihe neuer Fragen auftut und dass unser Wissen immer ein Fragment ist und bleiben wird. Ihm gelingt es auch, die ungeheure Aufgabe zu verdeutlichen, vor der die Naturwissenschaften stehen: Wie in der Biologie etwa allein die Menge der noch nicht beschriebenen Arten eine restlose Überforderung des Menschenmöglichen bedeutet, ganz abgesehen von der Tatsache, dass täglich Arten aussterben, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Oder wie Paläontologen aus einer nur als »dünn« zu bezeichnenden Fundlage versuchen, Jahrtausende evolutionärer Entwicklung zu rekonstruieren. Oder dass Geologen bislang nur ein sehr rudimentäres Verständnis der Vorgänge im Erdinneren haben. Und dieses »Nichtwissen in den Wissenschaften« wird von Bryson sehr oft in den Worten der Wissenschaftler selbst formuliert, denen die Lücken und Schwierigkeiten Ihres Fachs natürlich ungleich deutlicher vor Augen stehen als jedem Laien.

In diesem Sinne bietet Bryson sowohl eine lebendige Wiedergabe des aktuellen wissenschaftlichen Weltbildes als auch, in dem er die Entwicklung der einzelnen Fächer darstellt, eine kleine Wissenschaftsgeschichte. Sicherlich wären hier und da einige Kleinigkeiten anzumerken, aber alles in allem ist dies das beste allgemeinbildende Buch, das ich seit Langem in der Hand gehabt habe.

Bill Bryson: Eine kurze Geschichte von fast allem. Aus dem Amerikanischen von Sebastian Vogel. Goldmann 46071. München: Wilhelm Goldmann, 2005. 664 Seiten. 9,95 €.