Johann Wolfgang Goethe: Faust – Faustedition

Das Freie Deutsche Hochstift, die Klassik Stiftung Weimar und die Julius-Ma­xi­mi­lians-Universität Würzburg haben in Kooperation unter dem Projekttitel Faustedition eine historisch-kritische Ausgabe des gesamten Faust erstellt, der sich – je nach Perspektive – in zwei bzw. drei Teile gliedert. Einerseits befindet sich der gesamte konstituierte Text inklusive aller Textvarianten auf der Webseite des Projektes, andererseits sind im Wallstein Verlag drei Textbände erschienen: Zum einen der konstituierte Text, zum anderen als Doppelband ein Faksimile des Manuskriptes des zweiten Teils der Tragödie sowie eine Transkription der Handschrift im gleichen Format (26 × 41 cm):

Das Faksimile darf auch zu vollem Recht so heißen, denn in sorgfältiger Handarbeit wurden hier alle Ein- und Überklebungen reproduziert, die in der Handschrift vorgenommen wurden, so dass sich der Leser einbilden darf, tatsächlich mit der Handschrift selbst umzugehen.

Diese aufwändige und in jeglicher Hinsicht vorbildliche Edition ermöglicht es dem Forscher und interessierten Leser nicht nur, auf einfachste Weise alle relevanten Ausgaben des gesamtes Faust auf einen Schlag miteinander zu vergleichen, er hat auch erstmals die Möglichkeit, sich selbst ein direktes Bild von der Handschrift des zweiten Teils zu machen. Die Leseausgabe des konstituierten Textes (die gerade in die 2. Auflage geht) gibt ihm zudem einen verlässlichen und zitierfähigen Text an die Hand. Dort, wo er die Entscheidungen der Herausgeber prüfen will, sind alle Varianten der Texte nur einen Mausklick entfernt.

Hier wurde eine exzellente Kombination aus gedruckter und digitaler Ausgabe vorgelegt, die die Stärken beider Medien zum Vorteil der Leser nutzt. Von hier aus lässt sich dieses Jahrhundertbuch der deutschen Literatur vollständig neu entdecken.

  • Faustedition. Vollständige Dokumentation der Quellen, Textgenese, aller relevanten Ausgaben und des konstituierten Textes. Derzeit in der Version RC 1.1.
  • Johann Wolfgang Goethe: Faust. Eine Tragödie. Konstituierter Text. Hg. v. Anne Bohnenkamp, Silke Henke und Fotis Jannidis. Göttingen: Wallstein, 2018. Leinen im Schuber, Fadenheftung, 574 Seiten. 39,– €.
  • Johann Wolfgang Goethe: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Gesamthandschrift. Faksimile und Transkription. Hg. v. Anne Bohnenkamp, Silke Henke und Fotis Jannidis. Göttingen: Wallstein, 2018. 2 Bände im Schuber, Leinenrücken, Fadenheftung, Kunstdruckpapier, 386 + 406 Seiten. 199,– €.
  • Es gibt zudem eine Komplettausgabe, die die beiden oben aufgeführten Teile umfasst und mit 224,– € zu Buche schlägt.

Markus Werner: Am Hang

978-3-596-16467-7 Nach der angenehmen Lektüre von Festland war ich auf einen weiteren Text von Markus Werner gespannt. Am Hang, mit dem Werner ja immerhin einen Bestseller gelandet hatte, konnte allerdings die hohen Erwartungen nicht erfüllen. Erzählt wird von einem Pfingstwochenende im Tessin, an dem sich der Scheidungsanwalt Thomas Clarin und der Studienrat Thomas Loos kennenlernen. Clarin ist in sein Ferienhaus gekommen, um einen Artikel über die historische Entwicklung des Scheidungsrechts zu schreiben, Loss wohnt in einem Hotel im nächsten Ort und trauert angeblich um seine vor einem Jahr in einer nahe gelegenen Klinik verunglückte Frau.

Die Konfrontation der beiden Männer selbst ist der geglückte Teil dieser Erzählung. Clarin, nicht nur aus beruflichen Gründen ein zynischer Kritiker der Institution der Ehe, sondern auch ein Don Juan, der keine Gelegenheit ungenutzt vorübergehen lässt, stößt in Loos auf einen kontaktscheuen Einzelgänger, der um seine verstorbenen Frau eine Art von Götzenkult betreibt. Die Gespräche der beiden vermeiden es zu moralisieren und sind eine nette Variation des Don-Juan/Faust-Themas. Sie sind allemal intelligenter und lesenswerter als der Versuch von Robert Menasse zu diesem Stoff.

Recht übel ist allerdings die Rahmenerzählung, die Werner glaubt, konstruieren zu müssen: Natürlich erweist es sich, dass die beiden Männer nicht nur zufällig miteinander verkettet sind. Als Clarin dies klar wird, schleicht sich leider auch die Moral in den Text ein: Clarin steht am Ende als ein Täter da, der mit einer seiner Affären großes Unglück über zwei Menschen gebracht hat. Damit verdirbt der Autor leider die schwebende Position, die der Stoff im Gespräch der beiden Männer angenommen hatte, und reduziert das Gedankenspiel auf die plumpen Ereignisse eines – noch dazu grob erfundenen – konkreten Falls. Leider ist diese Konsequenz aber vollständig beliebig und ihre Konstruktion gänzlich unglaubwürdig.

Ich rate dringend dazu, die Lektüre des dritten Teils der Erzählung zu unterlassen.

Markus Werner: Am Hang. Fischer Taschenbuch 16467. Frankfurt/M.: Fischer, 102009. 190 Seiten. 7,95 €.