Michail Bulgakow: Meister und Margarita

bulgakow_meisterMichail Bulgakow ist 1940 gestorben, so dass sein Werk zu Anfang des vergangenen Jahres gemeinfrei geworden ist. Nun legen Alexander Nitzberg und der Berliner Galiani Verlag, die mir zuletzt mit der inzwischen abgeschlossenen Ausgabe der Werke von Daniil Charms Vergnügen gemacht haben, eine Neuübersetzung von Bulgakows Hauptwerk »Meister und Margarita« vor. Da es noch nicht so sehr lange her ist, dass ich die alte Übersetzung von Thomas Reschke gelesen habe, habe ich mich bei der Neuausgabe vorerst auf Stichproben beschränkt.

Nitzbergs Übersetzung muss wohl als flott bezeichnet werden: Gleich aus den ersten drei grammatikalisch wohlgegliederten Sätzen Bulgakows macht Nitzberg ein parataktisches Prosageknatter von neun Sätzen, von denen einige nicht einmal ein Verb aufweisen können. Auf der zweiten Seite wird ein Satz des Dichters Besdomny dem Redakteur Berlioz zugeschustert. Bei jeder Gelegenheit wählt Nitzberg (im Vergleich zu Reschke) den knalligeren, lauteren, auffälligeren Ausdruck. In Ermangelung von nennenswerten Russischkenntnissen kann ich nicht beurteilen, wie weit Nitzbergs Entscheidungen vom Original gedeckt werden, aber ich habe den Verdacht, dass Bulgakow hier durch die Mühle eines Übersetzers gedreht wurde, der seinen Stil zuletzt auf einen Manieristen wie Charms eingerichtet und nicht ausreichend nachjustiert hat.

Den deutschen Leser muss nicht unbedingt interessieren, ob er eher eine Übersetzung oder eine Bearbeitung liest, wenn sich nur beim Lesen das erwartete Vergnügen einstellt. Und dafür ist Bulgakows »Meister und Margarita« allemal gut.

Michail Bulgakow: Meister und Margarita. Aus dem Russischen übersetzt von Alexander Nitzberg. Berlin: Galiani 2012. Bedruckter Pappband, Leinenrücken, Lesebändchen, 604 Seiten. 29,99 €.

Michail Bulgakow: Der Meister und Margarita

978-3-630-62093-0 Der Roman scheint mir, obwohl er als einer der bedeutendsten russischsprachigen des 20. Jahrhunderts gilt und die deutsche Übersetzung seit 1975 konstant im Druck gewesen zu sein scheint, immer noch so etwas wie ein Geheimtipp zu sein. Ich habe ihn vor fast genau 23 Jahren während des Studium zum ersten Mal gelesen, wobei ich jetzt feststellen musste, dass von der Erstlektüre nur eine äußerst vage Erinnerung geblieben war.

Erzählt wird von der Ankunft des Teufels und seines Anhangs von Dienern im atheistischen Moskau der 1930-er Jahre. Was er eigentlich dort will, außer einmalig in einem Varietee auftreten und anschließend einen Teufelsball zu veranstalten, bleibt unklar. Allerdings verursacht er unter den Einwohnern Moskaus ein ziemliches Chaos: Zahlreiche Bürger enden im Irrenhaus, zwei verlieren sogar ihr Leben. Diese Ereignisse scheinen aber nur den Hintergrund zu bilden für die Erzählung, die der Titel des Romans bezeichnet: die Liebesgeschichte zwischen einem Schriftsteller, genannt »Der Meister«, und seiner Geliebten Margarita. Der Meister hat einen Roman über Pontius Pilatus geschrieben, für den er aber keinen Verleger gefunden und ihn aus Verzweiflung darüber verbrannt hat. Scheinbar nur ein einziges Kapitel hat Margarita aus den Flammen retten können; allerdings ist der Teufel letztlich in der Lage, das komplette Werk aus den Flammen zurückzuholen.

Verknüpft werden die beiden Erzählstränge dadurch, dass Margarita vom Teufel zur Königin seines Balls erwählt wird, zur Hexe wird und am Ende des Balles einen Wunsch frei hat. Sie wünscht sich ihren Meister zurück, den sie verloren glaubt, der aber tatsächlich ebenfalls in der Moskauer Irrenanstalt einsitzt. Der Meister und Margarita finden schließlich gemeinsam Frieden, wenn auch auf eine eher überraschende Art und Weise.

Durchsetzt ist die phantastische Erzählung mit Kapiteln aus dem Pilatus-Roman des Meisters, die die Verurteilung Jesu, seine Hinrichtung und weitere Ereignisse in der Folge seines Todes umfassen. In ihnen erscheint Jesus als ein Mensch mit der Gabe außergewöhnlicher Einfühlung, nicht als Prophet oder Sohn Gottes. Diese Kapitel stehen mit ihrem melancholischen Ton in einem deutlichen stilistischen Kontrast zur humoristisch-phantastischen Rahmenerzählung.

Auch wenn einem als Nichtkenner der russischen Geschichte sicherlich die ganze satirische Schärfe des Romans entgeht, ist die Lektüre allen engagierten Lesern auf jeden Fall uneingeschränkt zu empfehlen.

Michail Bulgakow: Der Meister und Margarita. Aus dem Russischen von Thomas Reschke. Sammlung Luchterhand 62093. München: Luchterhand, 2005. 512 Seiten. 10,– €.