Gustave Flaubert: Salambo

Auf einer Terrasse ein Dromedar, das ein Brunnenrad dreht: so war das gewiß in Karthago.

Reisetagebuch 1858

»Salambo« hat nun seit einiger Zeit auf meinem Nachttisch gelegen und auf die Wiederlektüre gewartet. Im Gegensatz zu den anderen Romanen Flauberts, hatte ich »Salambo« bislang nur ein einziges Mal gelesen (damals in der Übersetzung von Georg Brustgi), und es war von dem Buch nicht mehr als ein vager Eindruck geblieben. Auch diesmal hat mich das Buch nicht wirklich überzeugt, aber dazu später einige Sätze.

Erzählt wird die Geschichte des Söldneraufstandes gegen Karthago nach dem Ende des Ersten Punischen Krieges: Karthago war nicht in der Lage oder willens, die Söldner aus dem Krieg zu bezahlen und sah sich unerwartet in eine weitere ernsthafte kriegerische Auseinandersetzung verwickelt, die seine Position im Mittelmeerraum auf Jahre hinaus deutlich schwächte. Die einzige umfangreiche historische Quelle für den Konflikt ist die Römische Geschichte des Polybios, die auch Flauberts wichtigste Referenz darstellte. Darüber hinaus war zu Flauberts Zeit sehr wenig Konkretes über die Kultur Karthagos bekannt, was man angesichts der Fülle der Details, die der Roman präsentiert, leicht vergessen könnte. Flaubert hat die sehr reiche Welt des Romans allerdings nicht frei erfunden, sondern aus einer umfassenden Lektüre über die antiken mediterranen Kulturen extrapoliert. Hinzuerfunden hat er seine Titelfigur Salambo, eine Tochter des historischen Hamilkar Barkas – dem Vater des weit bekannteren Hannibal –, die für eine obskure Liebesgeschichte benötigt wird, die der ansonsten weitgehend im Militärmilieu situierten Handlung wenigstens den Anschein eines romantischen Interesses geben soll.

Flaubert war sich der Schwächen des Romans, die er hauptsächlich aus seinem Stoff erbt, durchaus bewusst:

Karthago bringt mich noch vor Wut zum Platzen. Ich habe jetzt lauter Zweifel am Ganzen, am allgemeinen Plan; ich glaube, es kommen zuviel Kommißköpfe darin vor. Das ist Geschichte, ich weiß. Aber wenn ein Roman so langweilig ist, wie ein wissenschaftliches Buch, gute Nacht! dann ist es keine Kunst mehr. [An Ernest Feydeau, 15.06.1861]

Auf der anderen Seite war er auf die Wahrhaftigkeit des erfundenen Bildes durchaus stolz, wie seine umfangreiche Verteidigung des Buches gegenüber Saint-Beuve (Brief vom 23./24.12.1862) erkennen lässt. Das Buch war ein weiterer Verkaufserfolg Flauberts, wobei das Interesse Europas im Allgemeinen und Frankreichs im Besonderen an Ägypten und Nordafrika, das nicht zuletzt von Napoleons Expedition nach Ägypten beflügelt worden war, sicherlich eine bedeutende Rolle gespielt haben dürfte.

Doch rettet das den Roman nur in einem historischen Sinne. Für den damaligen und noch mehr für den heutigen Leser ist die Fülle der historischen Details, die die Beschreibungen aufbläht und die Handlung immer wieder für Seiten zum Stillstand bringt, eher hinderlich, da sich bei aller Fülle am Ende doch beinahe nie ein abgerundetes Bild ergibt. Am eindrücklichsten sind die Beschreibungen der Stadt Karthago und des Palastes Hamilkars; die Kriegsgeräte und das Schlachtengetümmel bleiben nahezu notwendig eher undeutlich, wobei sie einen nicht unwesentlichen Teil des Romans ausmachen. Die zeitgenössischen Leser waren sicherlich überrascht über die ausführlich und präzise geschilderten Grausamkeiten sowohl in den Schlachten als auch in den Kulthandlungen; hier bewährt sich einmal mehr Flauberts Verachtung des allgemeinen Publikumsgeschmacks.

Warum einige deutsche Übersetzungen, darunter auch die hier besprochene, den französischen Eigennamen der Heroin Salammbô mit Salambo eindeutschen, hat sich mir bislang nicht entschlossen. Abgesehen davon ist Räbels Neuübersetzung bis auf einige wenige Modernismen gut lesbar und scheint – soweit ich das beurteilen kann – sprachlich auf Höhe des Originals zu sein. Die Ausgabe von Haffmans ist naturgemäß nur noch antiquarisch greifbar; die Übersetzung ist aber derzeit im Taschenbuch bei Fischer lieferbar.

Gustave Flaubert: Salambo. Aus dem Französischen von Petra-Susanne Räbel. Zürich: Haffmans, 1999. Pappband, Leinenrücken, Fadenheftung, Lesebändchen, 413 Seiten.

3 Gedanken zu „Gustave Flaubert: Salambo“

  1. Salambo habe ich bislang auch nur 1x gelesen, vor einer kleinen Ewigkeit. Erinnerungen so gut wie keine. Außer einer kleinen Anekdote: Zu Studienzeiten habe ich mich einfach mal in eine Flaubertvorlesung der Romanisten gesetzt. Und auf die Frage des Professors, wer denn Salambo gelesen habe, natürlich aufgezeigt, in der klaren Erwartung, in der Menge unterzugehen. Ich war der einzige. Ich konnte (und kann) natürlich so gut wie kein Französisch und hatte immer Angst, dass der Prof. mich mal direkt ansprechen würde. Hat er glücklicherweise nicht getan.

  2. Bei mir war von der Erstlektüre auch beinahe nur das Stimmungshafte in der Erinnerung geblieben. Die Handlung ist aber auch fast komplett eine Mischung aus vorhersehbarer Schmonzette und weitgehend austauschbarem Kriegsgetümmel. Selbst die interessanteste Nebenfigur, der ehemalige Sklave Spendius, der den einzigen neuzeitlichen Menschen im Ensemble gibt, bleibt letztendlich blass und geht im Rauschen der Handlung unter.

  3. ausgerechnet dieses Buch ist mir vor kurzem wieder in die Hände gefallen, ich habe es seinerzeit aus Protest gegen die Schul-Lektüre der Madame Bovary gelesen (ich mochte verständlicherweise die schicksalsleidenden hilflosen Bürgerinnen nicht). Jetzt lege ich es wohl doch beiseite ….

    Salambo hat auch bei mir keinen starken Eindruck hinterlassen, eher so ein dunkles Geraune wie Felix Dahn, viel Schlachten und worum gekämpft wird tangiert den Leser wenig…

    Allein der kreisrunde Hafen von Carthago verblüffte mich dann auf einer Nordafrika-Tour, ich hatte mir trotz der sehr genauen Schilderungen Flauberts nicht vorstellen können, daß der so klein ist …

    Ceterum censeo Carthaginem esse delendam.

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