Zum 200. Geburtstag von Gustave Flaubert

Ich habe (wenn Du meine innerste und offene Meinung wissen willst) nichts geschrieben, was mich voll und ganz befriedigt. Ich habe in mir – und zwar sehr deutlich, glaube ich – ein Ideal (entschuldige das Wort), ein Stilideal, dessen Verfolgung mich ohne Unterlaß keuchen läßt. Deshalb ist Verzweiflung mein normaler Zustand. Ich brauche eine heftige Ablenkung, um aus ihr herauszukommen. Außerdem bin ich von Natur aus nicht fröhlich. Niedrig, possenhaft und obszön so viel Du willst, aber trotzdem immer finster. Kurz, das Leben geht mir herzlich auf die Nerven. Da hast du mein Glaubensbekenntnis.

Flaubert: Briefe. Zürich: Diogenes, 1977. S. 392.

Gustave Flaubert
an Ernest Feydeau, Anfang August 1857

Gustave Flaubert: Memoiren eines Irren

Es wäre ein Fehler, in all dem hier etwas anderes zu sehen als die Nörgeleien einen armen Irren. Ein Irrer!
Und Sie, Leser – Sie haben vielleicht vor kurzem geheiratet oder Ihre Schulden bezahlt?

Nachdem ich Elisabeth Edls Übersetzung der Éducation sentimentale vorerst übersprungen habe – zum einen, weil es zeitlich nicht passte, zum anderen aber sicherlich auch, weil ich über die Übersetzung des Titels mit Lehrjahre der Männlichkeit doch etwas erschrocken war –, folgt nun also, im Jahr seines 200. Geburtstages, die Neuübersetzung von Flauberts erstem ernsthaften Versuch, einen Roman zu schreiben. Der Text, der keine 100 Druckseiten umfasst, ist zu Lebzeiten des Autors nicht veröffentlicht worden, und man darf davon ausgehen, dass sich Flaubert seiner Schwächen sehr bewusst war.

… Mir ist alles so zuwider, dass ich einen tiefen Ekel davor empfinde weiterzuschreiben, nachdem ich das Vorangehende gelesen habe.
Können die Werke eines gelangweilten Mannes die Leser amüsieren?

S. 40

Aber natürlich zeigt sich die Wichtigkeit eines Autors eben auch darin, dass nach seinem Tod sein Nachlass herausgegeben wird.

Im Falle der Memoiren eines Irren geschah dies zuerst Ende 1900, 20 Jahre nach dem Tod Flauberts. Die Erzählung, die nur ehrenhalber die Bezeichnung Roman verdient, ist deshalb interessant, weil hier schon einige der Motive durchgespielt werden, die in den späteren Werken eine Rolle spielen. Zentral dürfte dabei die Beschreibung der ersten Verliebtheit des Erzählers in eine ältere, verheiratete Frau sein, die deutlich auf die Liebe Frédéric Moreaus aus L’Éducation sentimentale vorausweist. Außer diesen einzelnen Motiven ist der Text weitgehend lamoyant, verbunden mit einer für einen 17-Jährigen doch recht künstlichen Welt- und Menschenfeindlichkeit. Der Erzähler tut sich selbst unendlich leid, was den Leser ungefähr so kalt lässt, wie es Flauberts spätere Erzähler sind. Literarisch ist das beste am Text, dass er nicht länger ist.

Um dem Band etwas mehr Umfang zu geben, hat man eine Auswahl früher Briefe Flauberts hinzugefügt, die – wie Flauberts Briefe überhaupt – immer interessant und lebendig sind. Die wichtigste Stelle im Buch aber ist diese:

Wolfgang Matz hat auch diesen Band als Lektor begleitet; dass er der Einladung folgte, zum (wenigstens vorläufigen) Abschluss dieser Flaubert-Jahre auch das Nachwort beizusteuern, …

S. 200

Es wird also auf absehbare Zeit keine Übersetzung von Bouvard et Pécuchet durch Elisabeth Edl geben. Fassen wir uns also in Geduld.

Gustave Flaubert: Memoiren eines Irren. Aus dem Französischen übersetzt von Elisabeth Edl. München: Hanser, 2021. Leinen, Fadenheftung, Lesebändchen, 240 Seiten. 28,– €.

Michel Winock: Flaubert

Die Worte schienen ihm durchaus nicht zuzuströmen, für einen, dessen bürgerlicher Beruf das Schreiben ist, kam er jämmerlich langsam von der Stelle, und wer ihn sah, mußte zu der Anschauung gelangen, daß ein Schriftsteller ein Mann ist, dem das Schreiben schwerer fällt als allen anderen Leuten.

Thomas Mann

Der Hanser Verlag hat im Vorfeld des 200. Geburtstages von Gustave Flaubert die in Frankreich hochgelobte Biographie des Historikers Michel Winock aus dem Jahr 2013 ins Deutsche übertragen lassen. Winock ist zweifellos das, was man einen Fan nennen könnte, aber sein Buch bewahrt dennoch eine weitreichende Obejktivität, nicht nur, was Flaubert selbst angeht, sondern auch die vorhergehende Literatur über ihn betreffend. Es kommt dem Buch sicherlich sehr zugute, dass Winock kein Li­te­ra­tur­wis­sen­schaft­ler ist und so bei einigen der umstrittenen Themen der Flaubert-Forschung die gegensätzlichen Auffassungen schlicht einander gegenüberstellen und dann auf sich beruhen lassen kann. Ebenso ist seine souveräne Position zu Sartres überbordener Interpretation Flauberts erfrischend.

Gustave Flaubert ist ein erstaunlicher Autor: Sein Werk besteht im Wesentlichen aus drei schwierigen Romanen und drei Erzählungen, ergänzt durch das Fragment eines vierten Romans, der bis heute Leser eher irritiert als fasziniert. Zu seinen Lebzeiten scharfer Kritik ausgesetzt, stieg er im 20. Jahrhundert zu einem der Gründungsväter der modernen und Klassiker der französischen Literatur auf; sein Einfluss auf Schriftsteller seiner und nachfolgender Generationen kann kaum überschätzt werden.

Im Vergleich mit seine Kollegen hat Flaubert auf der einen Seite ein weitgehend einsiedlerisches Leben in der Provinz geführt, das der Arbeit an seinen Romane gewidmet war, die langsam und unter den größten stilistischen Skrupeln entstanden sind. Er musste stets seine juvenile Neigung zum Romantizismus und zum sprachlichen Überschwang im Zaum halten, und sein Glaube, dass ein Erzähler sich jedes Urteils über seine Figuren und deren Handlungen enthalten müsse, hat zu seinem bemerkenswert kühlen und distanzierten Stil geführt. Seine Stoffe entstammen einerseits unmittelbar seiner Gegenwart, andererseits einer phantastisch imaginierten Antike, in die er alle seine andern Orts unterdrückten Leidenschaften und schwarzen Gedanken projizierte.

Auf der anderen Seite war er ein aktiver Promoter und Regisseur der Theaterstücke seines Kollegen Louis Bouilhet, der ohne die Freundschaft mit Flaubert heute vollständig vergessen wäre, ein unermüdlicher Briefschreiber, der auf diese Weise durchaus intensive Freundschaften auch zu bedeutenden Kolleginnen und Kollegen (Georg Sand, Iwan Turgenew) unterhielt. Er hat eine Wohnung in Paris unterhalten und gehörte zum Künstlerkreis um die Brüder Goncourt, die in ihren Tagebüchern einige der schönsten und gehässigsten Porträts seiner Persönlichkeit geliefert haben. Er hat Nordafrika, Ägypten, den Nahen Osten und Istanbul bereist und war regelmäßig in England, wahrscheinlich um eine heimliche Geliebte zu treffen – tatsächlich so heimlich, dass auch heute noch nur darüber spekuliert werden kann. Zu diesen persönlichen Widersprüchen treten Flauberts soziologische und politische Vorurteile hinzu, die alles andere als ein einheitliches Weltbild ergeben und zu denen auch noch seine allgemeine Misanthropie und seine tiefe Verachtung der menschlichen, besonders aber der bürgerlichen Dummheit hinzutreten. Es ist daher kaum verwunderlich, dass Winocks resümierendes, letztes Kapitel sich weitgehend in einer Auflistung dieser Gegensätze erschöpft. Flaubert war alles andere als eine gerundete und in sich geschlossene Persönlichkeit, und so erscheint er auch in Winocks Erzählung.

Was die sachliche Ebene angeht ist das Buch, soweit ich sehe, bis auf eine Winzigkeit fehlerfrei. In der ersten Hälfte habe ich als Leser ein wenig zu oft gedacht, das hätte ich so auch schon bei Maxime Du Campe oder Guy de Maupassant gelesen, aber das muss einen anderen Leser durchaus nicht stören. Die Interpretationen der Werke sind durchweg gut bis herausragend – wer sich einen Eindruck von der Qualität des Buches verschaffen will, lese die der Education sentimental gewidmeten Kapitel XVIII bis XX. Bei der Analyse von Leben und Werk wird nebenbei eine kurze Geschichte Frankreichs von der Juli-Revolution bis in die frühen Jahre der Dritten Republik hinein mitgeliefert. Zudem finden sich knappe biographische Portraits etwa von Louis Bouilhet, George Sand oder Maxime Du Camp.

Alles in allem eine runde, gut lesbare und ausgewogene Biographie, nach deren Lektüre man sich als ausreichend informiert und gerüstet für die Lektüre der Werke Flauberts fühlen darf.

Michel Winock: Flaubert. Aus dem Französischen von Horst Brühmann und Petra Willim. München: Hanser, 2021. Pappband, Lesebändchen, 655 Seiten. 36,– €

Gustave Flaubert: Bibliomanie

Die Bände der Insel-Bücherei sind einerseits beliebte Geschenk-Bücher, andererseits gesuchte und teils sehr rare Sammlerstücke. Viele Titel erinnern noch an die Zeit, als der Insel-Verlag in der Hauptsache als Verlag für Klassiker geglänzt hat; immer sind die Bände für ein kleines, aber besonderes Lesevergnügen gut. So auch diese Neuausgabe der allersten Veröffentlichung Gustave Flauberts. Die düstere, romantische Schauer- und Mordgeschichte um die Bücherleidenschaft eines ehemaligen Mönchs ist sehr üppig mit atmosphärisch passenden Bildern von Burkhard Neie ausgestattet.

Zum Inhalt der Erzählung habe ich bei der Neu-Übersetzung durch Elisabeth Edl schon das Wichtigste gesagt; es muss hier nicht wiederholt werden. Bei der Übersetzung hat man bei Insel leider ein wenig gespart und die schon recht betagte Na-ja-so-ungefähr-Übersetzung von Erwin Rieger gewählt. Aber dennoch ist der Band ein hübsches Präsent für jeden Buchliebhaber. Ostern steht vor der Tür, und Lesern sind die achteckigen Eier oft die liebsten.

Gustave Flaubert: Bibliomanie. Aus dem Französischen von Erwin Rieger. Illustriert von Burkhard Neie. Berlin: Insel, 2021. Bedruckter Pappband, Fadenheftung, 68 Seiten. 8,– €.

Gustave Flaubert: Madame Bovary

Heute wäre es keinem von uns mehr möglich, sich auch nur im geringsten an ihn zu erinnern.

Flaubert_Bovary_EdlIn der verdienstvollen Reihe von Kassiker-Neuübersetzungen, die in schöner Folge und hervorragender Ausstattung bei Hanser erscheinen, ist im letzten Jahr auch Flauberts »Madame Bovary« einmal mehr vorgelegt worden. Die Übersetzerin Elisabeth Edl, die zu Recht mit Ihren Übersetzungen Stendhals bekannt geworden ist, legt nach ihrer eigenen Zählung immerhin schon die 28. Übersetzung des Textes ins Deutsche vor. Dabei geht sie mit den Vorläufern hart ins Gericht:

Selbstverständlich finden sich unter diesen 27 Versionen auch solche, die den Roman flüssig und in geläufiger deutscher Sprache wiedergeben; es gibt allerdings auch erstaunlich viele Stellen, die allein sachlich noch niemals richtig übersetzt wurden. Aber auch die besten unter ihnen verfehlen die spezifische Qualität ganz und gar; gerade auch die berühmte und oft gelobte Übersetzung von René Schickele ist eher eine schöne, freie Nacherzählung als eine Übersetzung Flauberts.

Edl kritisiert die mangelnde Sorgfalt bei der Übersetzung von grammatikalischer Struktur und Wortstellung, die Flaubert in mühevollster Arbeit herauskristallisiert habe. Auch an der Wiedergabe der von Flaubert jeweils gewählten sprachlichen Stilebene würden alle bisherigen deutschen Ausgaben wesentlich scheitern. Am verzeihlichsten ist wohl, wenn Doppeldeutigkeiten und Wortspiele unübersetzt bleiben, da sich ein Übersetzer hier immer zwischen der Skylla der wörtlichen Übersetzung und der Charybdis der Ersetzung durch ein zielsprachliches Pendant durchlavieren muss, die sich in den meisten Fällen beide als nur mäßig witziger Ersatz für das Original erweisen.

Nun reicht mein fragmentarisches Französisch, das sich hauptsächlich aus meinem Latein speist, nicht hin, um die Übersetzung Edls daraufhin abzuklopfen, ob sie den theoretischen Ansprüchen der Übersetzerin tatsächlich genügt. Alles, was ich vermag, ist es, einige auffällig Stellen herauszupicken und mit dem Original und der zufälligen Auswahl von Übersetzungen zu vergleichen, die mir vorliegt.

Beginnen wir mit einer der offenbar hässlichen Stellen, an der eine anstößige Wiederholung ein und derselben Formulierung aufstößt:

Madame Bovary nahm die Schüssel. Um sie unter den Tisch zu stellen, bückte sie sich und machte eine Bewegung, bei der ihr Kleid (es war ein Sommerkleid mit vier Volants, gelb, lange Taille, weiter Rock), bei der ihr Kleid sich auf den Fliesen der Stube glockig um sie rundete; … (Edl, S. 173)

Schauen wir zuerst einmal, was die anderen Übersetzer schreiben:

  • Frau Bovary nahm die Schüssel und stellte sie unter den Tisch; bei dieser Bewegung bauschte sich ihr Kleid (es war mit vier Volants besetzt, gelb, mit langer Taille und weit geschnittenem Rock), breitete sich rings um sie auf dem Fußboden aus. (René Schickele (1907), hier zitiert nach einer Ausgabe bei Manesse von 1952, S. 209 f.)
  • Frau Bovary ergriff die Schüssel und setzte sie unter den Tisch. Bei diesem Bücken bauschte sich ihr Rock (ein weiter gelber Rock mit vier Falbeln) um sie herum und stand wie steif auf der Diele, … (Arthur Schurig (1911), hier zitiert nach einer Ausgabe im Insel Verlag von 1952, S. 161.)
  • Madame Bovary nahm die Schüssel und wollte sie unter den Tisch stellen. Als sie sich bückte, breitete sich ihr Kleid – ein gelbes Sommerkleid mit vier Volants, langer Taille und weitem Rock – rings um sie auf den Fliesen aus. (Walter Widmer (1959), hier zitiert nach einer Ausgabe bei Artemis & Winkler von 1993, S. 170.)
  • Madame Bovary nahm das Becken, um es unter den Tisch zu stellen. Als sie sich dabei hinunterbeugte, breitete sich ihr Kleid (es war ein Sommerkleid mit vier Volants, von gelber Farbe, mit langer Taille und weitgeschnittetem Rock) um sie herum auf den Fliesen des Wohnzimmers aus; … (Caroline Vollmann, Haffmans, 2001, S. 182.)

Wie man auf den ersten Blick sieht, findet sich in keiner der vorherigen Übersetzungen die Wiederholung der Phrase bei der ihr Kleid, so dass der Verdacht eines Übersetzungsfehler nahe liegt. Schauen wir also ins Original:

Madame Bovary prit la cuvette. Pour la mettre sous la table, dans le mouvement qu’elle fit en s’inclinant, sa robe (c’était une robe d’été à quatre volants, de couleur jaune, longue de taille, large de jupe), sa robe s’évasa autour d’elle sur les carreaux de la salle; …

Tatsächlich findet sich die stilistisch harte Wiederaufnahme des Satzes durch die Wiederholung des sa robe bei Flaubert, und Edls Übersetzung scheint die erste zu sein, die dieser Härte nicht ausweicht und versucht, dem Autor stilistisch aufzuhelfen, sondern sich an Struktur und Wortwahl des Originals hält.

Schauen wir eine andere Stelle an, bei der das Original der Übersetzung einigen Widerstand entgegensetzt: Der Apotheker Homais, eine der wichtigsten Nebenfiguren des Romans, wird mit einer seiner besserwisserischen Tiraden in den Roman eingeführt. Opfer seiner Belehrung ist die Wirtin des Lion d’or, die über die Notwendigkeit unterrichtet wird, sich einen neuen Billardtisch zuzulegen:

Puisque celui-là ne tient plus, madame Lefrançois, je vous le répète, vous vous faites tort! vous vous faites grand tort! Et puis les amateurs, à présent, veulent des blouses étroites et des queues lourdes. On ne joue plus la bille; tout est changé! Il faut marcher avec son siècle!

Hier ist die Bedeutung des kurzen Satzes On ne joue plus la bille durchaus nicht auf Anhieb klar. Dementsprechend unterschiedlich fallen die Übersetzungen aus:

  • … man spielt jetzt eben anders! (Schickele, S. 125)
  • Mit solchen Bällchen spielt man nicht mehr. (Schurig, S. 97)
  • Man spielt nicht mehr so gemütlich mit Murmeln, … (Widmer, S. 101)
  • … man spielt die Kugeln nicht mehr direkt; … (Vollmann, S. 109)

Während René Schickele nicht den Satz, sondern sein Unverständnis ins Deutsche übersetzt, reimen sich Schurig und Widmer (dieser auch noch unter Hinzufügung eines nicht im Original zu findenden Adjektivs) etwas zusammen, was der Satz durchaus bedeuten könnte, was er aber eben nicht eindeutig bedeutet. Caroline Vollmann versteht wenigstens die Funktion des Satzes, nämlich dass sich Homais hier mit einer fachmännisch klingenden Phrase gegenüber der Wirtin als Kenner ausweisen möchte, doch gerät ihre Lösung leider zu konkret und sinnvoll. Elisabeth Edl wählt dagegen eine Wendung, die ebenso undeutlich ist wie das Original: Man bespielt die Kugeln nicht mehr; (S. 103) – auch hier weiß der Leser nicht, was eigentlich mit dem Satz gemeint sein soll, denkt aber, besonders wenn er vom Billard so wenig versteht wie die Wirtin, es müsse sich dabei doch auch was denken lassen.

Man verzeihe mir ein letztes, kurzes Beispiel: Auf S. 212 der hier besprochenen Übersetzung ragt das Wort Lassreidel aus dem Text heraus:

Sie kamen zu einer breiteren Stelle, wo man Lassreidel gefällt hatte. Sie setzten sich auf einen umgelegten Baumstamm und Rodolphe sprach nun von seiner Liebe.

Für das Wort Lassreidel findet sich im Original der Ausdruck baliveaux. Beides sind Fachwörter aus der Forstwirtschaft und bezeichnen Bäume eines sogenannten Mittelwalds, die bei einer Fällung vorerst stehen geblieben sind, um erst ein oder mehrere Jahre später gefällt zu werden. Das Wort Lassreidel auch nur zu finden, dürfte keine kleine Mühe gewesen sein. Schauen wir noch einmal, wie es die anderen machen:

  • Sie kamen auf eine Lichtung. Sie setzten sich auf einen umgestürzten Baumstamm und Rodolphe begann von seiner Liebe zu sprechen. (Schickele, S. 258)
  • Sie standen in einer Lichtung, in der gefällte Baumstämme lagen. Sie setzten sich beide auf einen.
    Von neuem begann Rudolf, von seiner Liebe zu reden. (Schurig, S. 197)
  • Sie gelangten auf eine kleine Lichtung, wo man junge Stämme gefällt hatte. Sie setzten sich auf einen der umgelegten Bäume, und Rodolphe fing an von seiner Liebe zu reden. (Widmer, S. 208)
  • Sie kamen auf eine Lichtung, auf der Jungholz geschlagen worden war. Sie setzten sich auf einen gefällten Baumstamm, und Rodolphe begann, von seiner Liebe zu ihr zu sprechen. (Vollmann, S. 223)

Und zum Abgleichen das Original:

Ils arrivèrent à un endroit plus large, où l’on avait abattu des baliveaux. Ils s’assirent sur un tronc d’arbre renversé, et Rodolphe se mit à lui parler de son amour.

Gerade dieses Beispiel ist hübsch, weil keiner der oben zitierten Übersetzer der Falle entgangen ist, un endroit plus large mit Lichtung zu übersetzen. Flauberts Text aber weiß gar nichts von einer Lichtung, sondern nur von einem etwas weiteren Platz, auf dem einige wenige Bäume gefällt worden sind. Während sich Schickele und Schurig (dessen Sie setzten sich beide auf einen das Zeug hat, in der ewigen Bestenliste übersetzerischer Stilblüten einen der vorderen Plätze einzunehmen) um das Problem herumdrücken, baliveaux zu übersetzen, wählt Vollmann mit Jungholz wenigstens einen forstwirtschaftlich klingenden Begriff, nur leider handelt es sich eben gerade nicht um Jungholz, das da gefällt worden ist.

Natürlich ist eine solch zufällige Stichprobe nicht wirklich aussagekräftig, und es gibt Berufenere, ein Urteil über die Qualität dieser Neuübersetzung zu fällen, aber dort, wo ich sie geprüft habe, bewährt sich Edls Übersetzung als präzise und eng am Original geführt.

Abgesehen von der Frage nach der Qualität der Übersetzung, ist dies die erste vollständige deutsche Ausgabe des Romans in dem Sinne, dass sie dem Vorbild der letzten, von Flaubert selbst zum Druck beförderten französischen von 1873 folgt und im Anschluss an den Roman den Prozess von 1857 dokumentiert. Unmittelbar an den Text des Romans angehängt finden sich das Plädoyer des Staatsanwaltes, die Verteidigung von Flauberts Anwalt und der Freispruch des Gerichts, der Flaubert zu einem der erfolgreichsten Sensationsautoren der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts machte. Mit der kommentarlosen Wiedergabe dieser Dokumente zelebriert Flaubert natürlich seinen Sieg über die zeitgenössischen Spießer, die seinen Roman aus mehr als einem Grund gerne verboten gesehen hätten.

Zum Inhalt dieser Mutter aller modernen Romane etwas zu sagen oder gar zur Bedeutung des Buches, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Vielleicht nur soviel, dass dies wahrscheinlich meine zehnte Lektüre dieses Buches in mehr als dreißig Jahren war und ich den Roman immer noch als ein Wunderwerk anzustaunen vermag. Es ist ein Buch von erstaunlicher künstlerischer Integrität und von einer solch gelassenen erzählerischen Kühle, wie man sie nur sehr selten in der Literatur findet. Wenn die 29. Übersetzung erscheinen wird, werde ich es sicherlich wieder lesen.

Gustave Flaubert: Madame Bovary. Sitten in der Provinz. Übersetzt von Elisabeth Edl. München: Hanser, 2012. Leinen, Fadenheftung, Lesebändchen, 759 Seiten. 34,90 €.

Gustave Flaubert: Bücherwahn

Ja, er war trunken von dem, was er empfunden hatte; er war erschöpft von seinen Tagen; er war besoffen vom Leben.

Flaubert_Bücherwahn

Jedes Jahr bringt der Hanser Verlag zur Weihnachtszeit ein kleines Büchlein heraus, das als Präsent der Buchhändler an ihre liebsten Kunden gedacht ist oder an solche, die es werden sollen. In diesem Jahr ist es eine Neuübersetzung von Gustave Flauberts erster Veröffentlichung geworden: »Bücherwahn« wurde 1836 vom erst Fünfzehnjährigen geschrieben und erschien bereits im Jahr darauf im Kulturblättchen »Le Colibri«. Natürlich will Hanser damit nicht nur Lesern eine Freude, sondern auch auf seine Neuübersetzung der »Madame Bovary« aufmerksam machen, die hier bei Gelegenheit auch besprochen werden soll.

Erzählt wird in »Bücherwahn« die tief romantisch gefärbte Geschichte des ehemaligen Mönchs Giacomo, der als Buchhändler und Büchernarr ein ärmliches Leben in Barcelona fristet, weil er nur Buchhändler geworden ist, um eine große Bibliothek sein Eigen nennen zu können. Als ihm jedoch ein konkurrierender Kollege bei einer Auktion ein Unikat (das scheinbar einzige erhaltene Exemplar der ersten in Spanien gedruckten Bibel) vor der Nase wegschnappt, verliert Giacomo anscheinend die Kontrolle über seine Leidenschaft: Er zündet dem Kollegen den Laden an, stürzt sich selbst ins Feuer und rettet das obskure Objekt seiner Begierde. Als die Polizei in Giacomos Besitz das vermeintliche Unikat findet, wird er nicht nur der Brandstiftung angeklagt, sondern auch einer Serie ungeklärter Morde, die das Land in Aufruhr versetzen. Den höchst merkwürdigen Ausgang des Prozesses will ich um der lieben Spannung willen hier nicht verraten.

Die Erzählung weist viele Schwächen auf, wie man sie vom Text eines fünfzehnjährigen Autors erwarten darf: Angefangene Erzählstränge laufen einfach ins Nichts, zwei Bücher werden miteinander verwechselt, wobei unklar bleibt, ob die Verwirrung beim Autor oder bei der Figur liegt, die Mordserie taucht gänzlich unvorbereitet und schlecht motiviert in der Handlung auf und was der Kleinigkeiten mehr sind. Allerdings spürt man schon den späteren Meister: Die romantische Atmosphäre ist gut getroffen, die Ausführung ist dicht und ohne Geschwätzigkeit, und der Leser wird am Ende mit einem hübschen psychologischen Rätsel allein gelassen.

Wer Flaubert und/oder die Übersetzerin Elisabeth Edl schätzt, sollte sich das hübsche Bändchen noch rasch von seinem Buchhändler erbitten.

Gustave Flaubert: Bücherwahn. Deutsch von Elisabeth Edl. Mit Vignetten von Wolf Erlbruch. München: Hanser, 2012. Broschur, 32 Seiten.

Gustave Flaubert: Salambo

Auf einer Terrasse ein Dromedar, das ein Brunnenrad dreht: so war das gewiß in Karthago.

Reisetagebuch 1858

»Salambo« hat nun seit einiger Zeit auf meinem Nachttisch gelegen und auf die Wiederlektüre gewartet. Im Gegensatz zu den anderen Romanen Flauberts, hatte ich »Salambo« bislang nur ein einziges Mal gelesen (damals in der Übersetzung von Georg Brustgi), und es war von dem Buch nicht mehr als ein vager Eindruck geblieben. Auch diesmal hat mich das Buch nicht wirklich überzeugt, aber dazu später einige Sätze.

Erzählt wird die Geschichte des Söldneraufstandes gegen Karthago nach dem Ende des Ersten Punischen Krieges: Karthago war nicht in der Lage oder willens, die Söldner aus dem Krieg zu bezahlen und sah sich unerwartet in eine weitere ernsthafte kriegerische Auseinandersetzung verwickelt, die seine Position im Mittelmeerraum auf Jahre hinaus deutlich schwächte. Die einzige umfangreiche historische Quelle für den Konflikt ist die Römische Geschichte des Polybios, die auch Flauberts wichtigste Referenz darstellte. Darüber hinaus war zu Flauberts Zeit sehr wenig Konkretes über die Kultur Karthagos bekannt, was man angesichts der Fülle der Details, die der Roman präsentiert, leicht vergessen könnte. Flaubert hat die sehr reiche Welt des Romans allerdings nicht frei erfunden, sondern aus einer umfassenden Lektüre über die antiken mediterranen Kulturen extrapoliert. Hinzuerfunden hat er seine Titelfigur Salambo, eine Tochter des historischen Hamilkar Barkas – dem Vater des weit bekannteren Hannibal –, die für eine obskure Liebesgeschichte benötigt wird, die der ansonsten weitgehend im Militärmilieu situierten Handlung wenigstens den Anschein eines romantischen Interesses geben soll.

Flaubert war sich der Schwächen des Romans, die er hauptsächlich aus seinem Stoff erbt, durchaus bewusst:

Karthago bringt mich noch vor Wut zum Platzen. Ich habe jetzt lauter Zweifel am Ganzen, am allgemeinen Plan; ich glaube, es kommen zuviel Kommißköpfe darin vor. Das ist Geschichte, ich weiß. Aber wenn ein Roman so langweilig ist, wie ein wissenschaftliches Buch, gute Nacht! dann ist es keine Kunst mehr. [An Ernest Feydeau, 15.06.1861]

Auf der anderen Seite war er auf die Wahrhaftigkeit des erfundenen Bildes durchaus stolz, wie seine umfangreiche Verteidigung des Buches gegenüber Saint-Beuve (Brief vom 23./24.12.1862) erkennen lässt. Das Buch war ein weiterer Verkaufserfolg Flauberts, wobei das Interesse Europas im Allgemeinen und Frankreichs im Besonderen an Ägypten und Nordafrika, das nicht zuletzt von Napoleons Expedition nach Ägypten beflügelt worden war, sicherlich eine bedeutende Rolle gespielt haben dürfte.

Doch rettet das den Roman nur in einem historischen Sinne. Für den damaligen und noch mehr für den heutigen Leser ist die Fülle der historischen Details, die die Beschreibungen aufbläht und die Handlung immer wieder für Seiten zum Stillstand bringt, eher hinderlich, da sich bei aller Fülle am Ende doch beinahe nie ein abgerundetes Bild ergibt. Am eindrücklichsten sind die Beschreibungen der Stadt Karthago und des Palastes Hamilkars; die Kriegsgeräte und das Schlachtengetümmel bleiben nahezu notwendig eher undeutlich, wobei sie einen nicht unwesentlichen Teil des Romans ausmachen. Die zeitgenössischen Leser waren sicherlich überrascht über die ausführlich und präzise geschilderten Grausamkeiten sowohl in den Schlachten als auch in den Kulthandlungen; hier bewährt sich einmal mehr Flauberts Verachtung des allgemeinen Publikumsgeschmacks.

Warum einige deutsche Übersetzungen, darunter auch die hier besprochene, den französischen Eigennamen der Heroin Salammbô mit Salambo eindeutschen, hat sich mir bislang nicht entschlossen. Abgesehen davon ist Räbels Neuübersetzung bis auf einige wenige Modernismen gut lesbar und scheint – soweit ich das beurteilen kann – sprachlich auf Höhe des Originals zu sein. Die Ausgabe von Haffmans ist naturgemäß nur noch antiquarisch greifbar; die Übersetzung ist aber derzeit im Taschenbuch bei Fischer lieferbar.

Gustave Flaubert: Salambo. Aus dem Französischen von Petra-Susanne Räbel. Zürich: Haffmans, 1999. Pappband, Leinenrücken, Fadenheftung, Lesebändchen, 413 Seiten.

Aus meinem Poesiealbum (XII) – Mond

Am Abend geht der Mond auf, seine feine gebogene Sichel ist wie der Pantoffel einer Chinesin.

Gustave Flaubert
Reisetagebuch 1858

[…] die Sonne begann zu sinken, und auf der gegenüberliegenden Seite des Himmels zog bereits die Sichel des Mondes herauf.

Gustave Flaubert
Salambo

»Könnten Sie mal bei Walter Scott, im Original, nachsehen«, fiel mir als weitere Bestechung für ihn ein : »Da kommt im ‹Herz von Midlothian› das Phänomen vor, daß ‹der volle Mond breit im Nordwesten› aufsteigt.« Er hatte mir lässig das verbrauchte Profil hingehalten, und fragte jetzt vornehm erschöpft : »Warum ? Gibt’s das nicht ?« (Man ist also doch letzten Endes allein !).

Arno Schmidt
Rollende Nacht

Gustave Flaubert: Drei Erzählungen

Ausgelöst durch die Lektüre von Yann Martels Beatrice and Virgil habe ich mir noch einmal Flauberts Drei Erzählungen aus dem Schrank genommen, diesmal in der relativ neuen Übersetzung des Haffmans-Verlages, Gott habe ihn selig. Die drei Erzählungen repräsentieren jeweils einen Aspekt von Flauberts Romanschaffen: Ein schlichtes Gemüt seine realistischen Romane, in Die Legende von Saint Julien dem Gastfreundlichen spiegelt sich Die Versuchung des heiligen Antonius wider und Herodias schließlich ist ein Gegenstück zu Salambo, das ich auch wieder einmal lesen müsste.

Ein schlichtes Gemüt ist eine meisterhafte Erzählung, die auf weniger als 50 Seiten ein ganzes Leben umfasst: Félicité wird Hausangestellte bei der verwitweten Madame Aubain, nachdem sie wegen einer unglücklichen Liebesgeschichte von daheim fortgelaufen ist. Sie geht ganz und gar im Dienst für die Familie ihrer Herrin auf; einzig ihr Neffe Victor liegt ihr noch am Herzen, aber der stirbt jung als Seemann auf einer Fahrt nach Amerika. Tiefer jedoch trifft sie der Tod von Virginie, der Tochter des Hauses, die als Klosterschülerin an einer Lungenentzündung stirbt; Félicité beginnt einen heimlichen Totenkult um die Verstorbene. Doch ihre Liebe erfüllt sich schließlich, als sie von ihrer Herrin einen Papagei geschenkt bekommt, den diese von einer Nachbarin erhalten hatte. Loulou bleibt Félicité auch nach seinem Tod treu, nachdem sie ihn  hat ausstopfen lassen. Mehr und mehr gerät er ihr zu einer Personifizierung des Heiligen Geistes, ja es gelingt ihr schließlich, ihn auf einem von ihr geschmückten Fronleichnamsaltar zu platzieren und ihn auf diese Weise mit Zustimmung des Pfarrers ganz und gar zu einer religiösen Ikone zu machen.

Es ist erstaunlich, mit welcher Ruhe und erzählerischen Ökonomie Flaubert auf den wenigen Seiten der Erzählung ein ganzes Leben umspannt. Jegliche Sentimentalität ist dem Erzähler fremd; er bleibt auch hier ein Gott hinter den Kulissen:

Der Künstler muß in seinem Werk wie Gott in der Schöpfung sein, unsichtbar und allmächtig; man soll ihn überall spüren, ihn aber nirgends sehen.

an Mlle Leroyer de Chantepie, 18.3.1857

Die Legende von Saint Julien dem Gastfreundlichen ist inhaltlich eine traditionelle Heiligenlegende, die angeblich durch die Darstellung der Legende in einem Kirchenfenster von Rouen inspiriert wurde. Julien wird unter Prophezeiungen geboren: Während der Schwangerschaft wird seiner Mutter seine Bestimmung zum Heiligen vorausgesagt, dem Vater am Tag der Geburt seine Karriere als großer Kriegsmann und Angehöriger einer kaiserlichen Familie. Julien wächst auf als ein grausames Kind, das aus Lust Tiere tötet, bald der Leidenschaft der Jagd verfällt und von dieser Besessenheit schließlich durch ein Wunder erlöst wird: Es stellen sich ihm im Wald eine unermessliche Anzahl von Tieren, die er alle tötet, um am Ende vom letzten Hirschen verflucht zu werden, er werde seine beiden Eltern ermorden. Von dieser Prophezeiung verschreckt und im Glauben tatsächlich seine Mutter aus Versehen getötet zu haben, flieht Julien, wird wie vorausgesagt ein gesuchter Krieger und heiratet schließlich in eine kaiserliche Familie ein. Natürlich muss sich auch noch die andere Prophezeiung erfüllen, und Julien tötet in einem Anfall von Eifersucht seine Eltern, die er für seine Frau und einen Liebhaber hält. Wie zu erwarten wendet er sich nun ab vom weltlichen Wohlleben und wird Fährmann an einem Fluss, lebt in Armut und im Dienst an seinem Mitmenschen. Erlöst wird er am Ende durch Jesus selbst, der ihm in Gestalt eines Aussätzigen erscheint und von ihm nicht nur Gastfreundschaft, sondern Dienst und Demut weit darüber hinaus erbittet. Bei der Geschichte handelt es sich offenbar um eine erzählerische Handübung; Flaubert spricht selbst davon, er habe die Drei Erzählungen als »Buch des Ausruhens« geschrieben.

Herodias erzählt in einiger Ausführlichkeit die Fabel vom Tod Johannes des Täufers, wie sie ihn  den Evangelien des Matthäus und des Markus zu finden ist. Die Perspektive ist dabei die des Herodes Antipas, der sich eingezwängt sieht zwischen den Machtansprüchen der Römer, den Drohungen des Araber, den Vorurteilen der Juden und dem Versuch, die Liebe seiner Frau Herodias zurückzugewinnen. Höhepunkte der Erzählung ist sicherlich die große Strafpredigt des Johannes, die unmittelbarer Auslöser seiner Hinrichtung wird, da er in ihr öffentlich sowohl Herodes als auch Herodias bloßstellt, und die Hinrichtung des Johannes, die zwar hinter den Kulissen bleibt, deren Umstände aber ein letztes Mal die Bedeutung Johannes des Täufers bestätigen. Auch in diesem Fall sollte man nur ein artistisches Interesse Flauberts am Stoff voraussetzen und nicht annehmen, dass es ihm um die eine oder andere Botschaft gegangen sei.

Die Drei Erzählungen waren ein bedeutender Erfolg bei Kollegen und Kritikern, brachten aber nicht die von Flaubert erhofften Einkünfte. Zwar hatte er die Erzählungen vorab zu sehr guten Zeilenhonoraren zwei Zeitungen verkaufen können, aber die Buchausgabe blieb hinter seinen Erwartungen zurück. So war das Buch, das eine kleine artistische Werkschau ist, in Flauberts Einschätzung ein Misserfolg.

Gustave Flaubert: Drei Erzählungen. Aus dem Französischen von Claus Sprick und Cornelia Hasting. Zürich: Haffmans, 2000. Leinenrücken, Dünndruckpapier, Fadenheftung, Lesebändchen, 140 Seiten.