Gudrun Schury: Ich wollt, ich wär ein Eskimo

schury-busch Der Aufbau-Verlag legt zum Busch-Jahr eine umfangreiche neue Biografie des Malers, Dichters und Zeichners vor. Alles in allem ist das Buch recht gelungen, allerdings liefert das Buch für Leser früherer Biografien (z. B. der von Gert Ueding) keine wirklichen Überraschungen oder neue Einsichten. Im Gegenteil werden die dort gewonnenen Erkenntnisse oft in einem plaudernden Ton verwässert und popularisiert, so dass das Gesamtbild eher an Schärfe verliert. Dies wird aber wahrscheinlich nur die Germanisten unter den Lesern stören.

Das Buch ist durch eine abwechselnde Kapitelfolge strukturiert: Auf ein chronologisches Kapitel, das dem Lebensweg Buschs folgt, folgt immer ein eher thematisch gewichtetes Kapitel usw. Dieser grundsätzlich zu begrüßende Einfall wird zudem nicht pedantisch gehandhabt, so dass ein lockerer, gut lesbarer Text entstanden ist. Schurys Darstellung zeichnet sich dabei durch ihre unübersehbare Begeisterung für Busch aus, wenn sie auch nicht geneigt ist, Buschs grundlegend pessimistischer Weltsicht beizutreten. Einerseits ist diese Begeisterung sicherlich erfrischend, andererseits tendiert die Darstellung ein wenig zur Breite; eine Kürzung hätte vielen Kapiteln und dem Buch insgesamt sicherlich gut getan.

Hervorzuheben sind fraglos die Kapitel zur Arbeitsweise Buschs bei der Erstellung der Bildergeschichten und diejenigen zum »alten« Busch, der zuerst das Zeichnen, dann das Malen und schließlich auch das Dichten gänzlich einstellt. Man wünschte man sich aber, etwas mehr über den noch vorhandenen Bestand an Gemälden Buschs zu erfahren, nachdem man gelesen hat, dass Busch wohl mit einiger Regelmäßigkeit unter seinen späten Bildern Autodafés abgehalten hat.

Busch wird von Schury nicht nur, aber auch gemäß seinem Selbst­ver­ständ­nis dargestellt, nach dem er ein gescheiterter Künstler war: Seine Ambitionen, sich als Maler zu etablieren, kamen über die Anerkennung im Kollegenkreis nie wesentlich hinaus, und auch der Versuch, als ernsthafter Dichter aufzutreten, muss als aus guten Gründen gescheitert angesehen werden. Busch hat dieses Missverhältnis seines Ruhms lange geschmerzt, dass er für Werke berühmt und geliebt war, die er selbst nicht für voll nehmen konnte und wollte, die ihm höchstens als Nebenarbeiten galten. So hat sein Interesse an weiteren  Bil­der­ge­schich­ten schon früh nachgelassen, und nach Maler Klecksel (1884) sind sie nicht über erste Notizen und Entwürfe hinausgekommen. Schury betont zu Recht, dass es nicht jedem geben sei, Wiederholung und Selbstkopie zu vermeiden. Überhaupt gewinnt man mehr und mehr Respekt vor Buschs Fähigkeit, sich von Ruhm und finanziellem Erfolg nicht blenden zu lassen. Er hat von seiner Zeit und seinen Zeitgenossen alles in allem wenig gehalten, und seinen Erfolg bei ihnen sah er viel eher als eine Bestätigung denn als eine Widerlegung dieser Sichtweise an. Auch in diesem Sinne gehört Busch in die Reihe der großen Pessimisten des 19. Jahrhunderts.

Gudrun Schury: Ich wollt, ich wär ein Eskimo. Das Leben des Wilhelm Busch. Berlin: Aufbau, 2007. Pappband, bedruckter Vorsatz, 16 Farbtafeln u. zahlreiche Abbildungen, Lesebändchen, 412 Seiten. 24,95 €.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert