Schweres Sprach

Im Deutschen gibt es zum Teil doch sehr feine Unterschiede, die auch Muttersprachlern nicht immer unbedingt geläufig sind, besonders wenn die entsprechenden Wendungen ungebräuchlich oder alterthümlich sind.

Da schlage ich also den gerade erhaltenen Band Jack Engles Leben und Abenteuer von Walt Whitman (Büchergilde Gutenberg, 2017) auf und lese:

Nach griech. Mythos war Telemachos noch ein Kind, als sein Vater Odysseus in den Trojanischen Krieg zog. Zum jungen Mann herangewachsen, verließ er seine Mutter Penelope, machte sich auf die Suche nach seinem Erzeuger und traf ihn bei der Heimkehr in Gestalt eines Bettlers an. Nachdem Odysseus sich ihm zu erkennen gegeben hatte, rächten Vater und Sohn gemeinsam die Freier, die die vermeintlich Witwe Penelope bedrängt und belagert hatten. (S. 165)

Nun sind im Deutschen „jemanden rächen“ und „sich an jemandem rächen“ zwei sehr unterschiedliche Dinge; während dies bedeutet, an dem Verantwortlichen eines Unrechts Rache zu nehmen, also den „jemand“ zu strafen für etwas, was er getan oder zu verantworten hat, bedeutet jenes, einem Opfer Genugtuung zu verschaffen, indem man einen Dritten straft oder zur Verantwortung zieht, also „jemandem“ für ein erlittenes Unrecht einen Ausgleich zu schaffen.

Odysseus und Telemach werden mithin „sich an den Freiern“ und nicht „die Freier“ gerächt bzw. werden sie Penelope gerächt haben.

3 Gedanken zu „Schweres Sprach“

  1. Upsi.

    Andererseits: Wenn ich nur schon an all die Satzzeichen-Fehler denke, die (unterdessen regelmässig) in Büchern der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft zu finden sind, wundert mich gar nichts mehr.

  2. Ich weiß nicht, diese Unterscheidung ist doch sehr geläufig, oder irre ich mich?

    Ich kann mir den Fehler eher damit erklären, dass der Autor/Übersetzer zunächst eine andere Objektkonstruktion gewählt (Penelope rächen) und dann umgestellt hatte, ohne daran zu denken, das Verb zu ändern. Hoffentlich.

    Das Buch ist auch gerade bei mir eingetroffen…

  3. „… denn viele kluge Leute habe ja damals schon in einem jüdischen Akzent nichts anderes gesehen als in einem ungarischen oder böhmischen, also die Ausdrucksweise von jemandem, der in einem nicht-deutschsprachigen Umfeld aufgewachsen ist und deshalb die deutsche Sprache nur unvollkommen beherrscht; wie das ja auch bei vielen Deutschen der Fall ist.“ – Georg Kreisler

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