Deutsche Geschichte

dt-geschDie Digitale Bibliothek hat ihr ohnehin schon breites Angebot an elektronischen Werken zur Geschichte um die 10 grundlegenden Bände der »Deutschen Geschichte« aus dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht ergänzt. Diese Bände gehören seit Jahrzehnten zur studentischen Grundaustattung der meisten Historiker und decken die deutsche Geschichte von den Anfängen bis zum Jahr 1945 ab. Die CD-ROM enthält die vollständigen Texte aller Bände mit zusammen etwa 2.500 Buchseiten in den aktuellen, derzeit lieferbaren Auflagen zu einem unschlagbaren Preis.

Highlight der Buchreihe war und ist mit Sicherheit Band 9, Hans-Ulrich Wehlers »Das Deutsche Kaiserreich 1871–1918«, der für das historische Verständnis dieser Zeit Maßstäbe gesetzt hat:

Über zwei Jahrzehnte lang hieß es an historischen Seminaren deutscher Universitäten ehrführchtig nur ›das blaue Buch‹. Niemand, der sich auf akademische Weise mit neuerer deutscher Vergangenheit beschäftigen wollte, kam daran vorbei. […] Mit dem ›blauen Buch‹ vollzog Wehler den vielleicht folgenreichsten Paradigmenwechsel in der (alt-)bundesrepublikanischen Geschichtswissenschaft […].

Sven Felix Kellerhoff, Die Welt

Zu dem Preisvorteil von knapp 80,– € kommen die üblichen Vorteile von Ausgaben der Digitalen Bibliothek hinzu: Eine ausgereifte, professionelle Software, die Volltextsuche, Paste & Copy auch längerer Passagen (mit exakter Seitenreferenz zur gedruckten Ausgabe), Lesezeichen, farbliche Textmarkierungen, das Ablegen von Notizen und Ausdrucke in individueller Formatierung erlaubt; dies ermöglicht ein intensives und zeitsparendes Arbeiten mit den Texten. Zusätzlich verfügt die elektronische Ausgabe über ein Gesamtregister der in allen Bänden verwendeten Abkürzungen. Diese CD-ROM ist auch geeignet, um eventuell bereits vorhandene Einzelbände der Reihe zu ergänzen.

Deutsche Geschichte. Hg. v. Joachim Leuschner. Digitale Bibliothek Band 151. Berlin: Directmedia Publishing in Kooperation mit Vandenhoeck & Ruprecht, 2006. 1 CD-ROM. Systemvoraussetzungen: PC ab 486; 32 MB RAM; Grafikkarte ab 640×480 Pixel, 256 Farben; CD-ROM-Laufwerk; MS Windows (98, ME, NT, 2000 oder XP) oder MAC ab MacOS 10.3; 128 MB RAM; CD-ROM-Laufwerk. Empfohlener Verkaufspreis: 30,– €.

Eine Software für Linux-User kann von der Homepage der Digitalen Bibliothek heruntergeladen werden.

Birgit Vanderbeke: Sweet Sixteen

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Ich begleite Birgit Vanderbeke nun schon viele Jahre von Buch zu Buch und habe – anders als einige meiner Bekannten – nie die Geduld mit ihr verloren. Ihren ‚Ton‘ hat Birgit Vanderbeke wahrscheinlich erstmals mit Ich sehe was, was du nicht siehst vollständig beherrscht. Das war eine Geschichte vom einfachen Leben in der französischen Provinz und von der lauten und selbstverliebt umtriebigen Gegenwelt Berlins. Vanderbekes auffallend lakonischer Erzählton schien unmittelbar aus der Einfachheit des Lebens, das sie ihre Erzählerin in Frankreich führen ließ, zu erwachsen. Sie hat ihn seit damals nur unwesentlich verändert. Einige halten das wahrscheinlich für Manierismus und meinen etwas Negatives damit. Ich halte es für einen der seltenen Fälle, in denen ein Autor tatsächlich zu einer ihm eigenen Sprache gefunden hat. Aber das ist – wie bereits gesagt – in der Hauptsache wohl eine Frage der Geduld.

Sweet Sixteen erzählt von einer erfundenen Jugendbewegung. Zuerst verschwinden einige Jugendliche an ihrem 16. Geburtstag spurlos aus ihrem Elternhaus; später sind es ganze Wellen von Jugendlichen, die an bestimmten Terminen verschwinden. Immer sind sie 16 Jahre alt, und in vielen Fällen haben sie als wichtigstes Gepäckstück einen Laptop dabei. Das Buch erzählt nicht, wo, wie und wovon diese Jugendlichen leben; es erzählt von der Ratlosigkeit der Zurückgebliebenen, seien es Eltern oder Pädagogen, Journalisten oder Moderatoren, Polizisten oder Politiker, Psychologen oder Schulreformer. Doch macht offenbar keinen seine Ratlosigkeit sprachlos: Alle ergehen sich in öffentlichen Erklärungen, Rechtfertigungen, Analysen, Kritiken. Vanderbekes Buch schildert mit subtilem Humor Seite für Seite genau jene Unerträglichkeit unserer medialen Gesellschaft, vor der die Jugendlichen in ihre eigene virtuelle Gegenwelt geflohen sind. Zwischen Welt und Gegenwelt liegt nun nicht mehr die Distanz zwischen Berlin und der französischen Provinz, sondern die zwischen Fernseher und Computerbildschirm.

Die Erzählerin gehört mit zu der Welt der Zurückgebliebenen. Als Werbefachfrau nimmt sie aktiv teil, versucht jeden neuen Trend aufzuspüren und zu vermarkten. Aber sie hat die Sehnsucht ihrer eigenen Jugend nicht vergessen, an jener oppositionellen Kultur teilzuhaben, der ihre Schwester anzugehören schien. Und aus dieser Sehnsucht heraus träumt sie sich die neue Jugendbewegung zu einer Hoffnung auf eine menschlichere, schlichtere und leisere Gesellschaft zurecht.

Wahrscheinlich bleibt dem Leser am Ende nichts übrig, als diese Hoffnung der Erzählerin für naiv zu halten, selbst wenn er sie gern teilte. Die Autorin weiß um diese Naivität. Aber es ist wohl gerade diese Haltung, aus der das Buch seine Distanz, seine Genauigkeit der Beobachtung und seinen Humor gewinnt. Ich möchte daher dazu raten, die nötige Geduld aufzubringen, der Erzählerin zuzuhören.

Vanderbeke, Birgit: Sweet Sixteen
S. Fischer, 2005; ISBN 3-10-087026-3
Gebunden
144 Seiten – 12,5 × 20,5 cm – 16,90 Eur[D]