Michail Bulgakow: Der Meister und Margarita

978-3-630-62093-0 Der Roman scheint mir, obwohl er als einer der bedeutendsten russischsprachigen des 20. Jahrhunderts gilt und die deutsche Übersetzung seit 1975 konstant im Druck gewesen zu sein scheint, immer noch so etwas wie ein Geheimtipp zu sein. Ich habe ihn vor fast genau 23 Jahren während des Studium zum ersten Mal gelesen, wobei ich jetzt feststellen musste, dass von der Erstlektüre nur eine äußerst vage Erinnerung geblieben war.

Erzählt wird von der Ankunft des Teufels und seines Anhangs von Dienern im atheistischen Moskau der 1930-er Jahre. Was er eigentlich dort will, außer einmalig in einem Varietee auftreten und anschließend einen Teufelsball zu veranstalten, bleibt unklar. Allerdings verursacht er unter den Einwohnern Moskaus ein ziemliches Chaos: Zahlreiche Bürger enden im Irrenhaus, zwei verlieren sogar ihr Leben. Diese Ereignisse scheinen aber nur den Hintergrund zu bilden für die Erzählung, die der Titel des Romans bezeichnet: die Liebesgeschichte zwischen einem Schriftsteller, genannt »Der Meister«, und seiner Geliebten Margarita. Der Meister hat einen Roman über Pontius Pilatus geschrieben, für den er aber keinen Verleger gefunden und ihn aus Verzweiflung darüber verbrannt hat. Scheinbar nur ein einziges Kapitel hat Margarita aus den Flammen retten können; allerdings ist der Teufel letztlich in der Lage, das komplette Werk aus den Flammen zurückzuholen.

Verknüpft werden die beiden Erzählstränge dadurch, dass Margarita vom Teufel zur Königin seines Balls erwählt wird, zur Hexe wird und am Ende des Balles einen Wunsch frei hat. Sie wünscht sich ihren Meister zurück, den sie verloren glaubt, der aber tatsächlich ebenfalls in der Moskauer Irrenanstalt einsitzt. Der Meister und Margarita finden schließlich gemeinsam Frieden, wenn auch auf eine eher überraschende Art und Weise.

Durchsetzt ist die phantastische Erzählung mit Kapiteln aus dem Pilatus-Roman des Meisters, die die Verurteilung Jesu, seine Hinrichtung und weitere Ereignisse in der Folge seines Todes umfassen. In ihnen erscheint Jesus als ein Mensch mit der Gabe außergewöhnlicher Einfühlung, nicht als Prophet oder Sohn Gottes. Diese Kapitel stehen mit ihrem melancholischen Ton in einem deutlichen stilistischen Kontrast zur humoristisch-phantastischen Rahmenerzählung.

Auch wenn einem als Nichtkenner der russischen Geschichte sicherlich die ganze satirische Schärfe des Romans entgeht, ist die Lektüre allen engagierten Lesern auf jeden Fall uneingeschränkt zu empfehlen.

Michail Bulgakow: Der Meister und Margarita. Aus dem Russischen von Thomas Reschke. Sammlung Luchterhand 62093. München: Luchterhand, 2005. 512 Seiten. 10,– €.

6 Gedanken zu „Michail Bulgakow: Der Meister und Margarita“

  1. Ich habe diesen Roman sozusagen „verinnerlicht“, er gehört zu meinem Repertoire. Auch wenn ich mich durchaus als Kennerin der russischen Kuturgeschichte des 20. Jahrhunderts bezeichnen kann, entgeht mir natürlich, nicht nur weil ich die Übersetzung und nicht die Originalfassung lesen muss, doch so Einiges. Deshalb lese ich das Buch auch immer wieder.

    Ich bin immer beeindruckt von der Wertschätzung, die dieses Buch bei meinen russischen Freunden besitzt, wie souverän sie Zitate darauf und Anspielungen darauf einsetzen.

    Mit der Verfilmung des Romans jedoch waren die meisten meiner Freunde nicht einverstanden.
    Auf Youtube gibt es eine Playlist mit allen 50 Folgen und englischen Untertiteln:

    http://www.youtube.com/view_play_list?p=E46621C6BE790253

    Mit dieser Adresse kommt die Strassenbahn und das Verhängnis nimmt seinen Lauf:

    http://www.youtube.com/v/W4hztBNwWVc&start=385

    Ich kann nicht beurteilen, wie nahe die Verfilmung dem Original kommt, aber mir hat die Verfilmung gefallen (Verfilmungen sind ja immer ein kritisches Kapitel….)

  2. Nach einem zweimaligen Lesen und Anhören des Hörbuchs scheint mir noch lange nicht alles klar zu sein. Ich glaube aber die gesellschaftskritische (vor allem Schriftsteller-Milieu), liebevoll – satirische Seite verstanden zu haben. Schöne Stellen in der Pilatus-Geschichte!

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