Zum Tod von Marcel Reich-Ranicki

Ich finde dieses Buch unerträglich, das ist ein unerträgliches Buch! Es ist – ich spüre es, da ist was Poetisches, was Balladeskes, was Bemühtes. Es sind lauter Mythen, die da konstruiert, zitiert und erfunden werden, mit Frauen, aus denen Pferde werden, mit der großen Einsamkeit und dem einsamen Dorf im Norden. Es wird immer gesagt, 1.100 Kilometer nördlich von Stockholm. Mir ist das vollkommen fremd! Es lässt mich ganz kalt! Es langweilt mich! Ich spüre, das ist keine schlechte Literatur, aber es ist mir gänzlich fremd.

4 Gedanken zu „Zum Tod von Marcel Reich-Ranicki“

  1. Ich kenne, glaube ich wenigstens, keine einzige Zeile von Enquist. Ich fand es bloß ein prägnantes Zitat, das sofort MRRs Ton aufklingen lässt, wenn man ihn kennt. Und es ist auch sehr typisch darin, dass er als Kritiker sehr oft über sich spricht, statt über das Buch. Und dann die schiefe Verwendung der literarischen Kategorien, dieses journalistische Husch-Husch, das schon irgendwie was meint, es aber nicht richtig zu sagen vermag – das ist alles schon sehr MRR.

    Ich war im Groben öfter mal einer Meinung mit MRR; allerdings habe ich mir an einer Stelle echte Sorgen um meinen Literaturgeschmack gemacht, als ich Margriet de Moors „Erst grau dann weiß dann blau“ aus nahezu denselben Gründen gut fand wie MRR. Das war schon ein wenig gruselig.

    Für mich und meinen Lesegang war MRR aber sonst nur am Rande wichtig: Manchmal hat er ein Buch auf eine Weise verrissen, dass ich wusste, das ist was für mich. Er war aber wohl eher schwach im Urteil über die meiste erzählende Literatur, die nicht den großen Linien des 19. Jahrhunderts folgte (seine Urteile zur Lyrik kann ich nicht einschätzen; davon verstehe ich selbst zu wenig). Von den tatsächlich modernen deutschsprachigen Erzählern hat er eigentlich nur Wolfgang Koeppen und Thomas Bernhard richtig begriffen, wenn ich das richtig sehe. Alle anderen scheinen ihm mehr oder weniger fremd geblieben zu sein. Schon von daher konnte ich die meisten seiner Rezensionen nicht gebrauchen.

  2. Ja, den Ton hört man unverkennbar heraus. Und wahrscheinlich ist es genau der Ton, der den meisten Leuten fehlen wird.

    Ich kann nicht beurteilen, welchen Wert Reich-Ranickis Kritiken für die Literatur haben. Aber er hat halt viele Leute erreicht und von denen, die das schaffen, war er noch der Angenehmste (Karasek …)

    Für mich persönlich bleibt von Reich-Ranicki eine herausgeberische Leistung in besonderer Erinnerung: Die „Deutschen Geschichten“, eine fünfbändige Sammlung kurzer Geschichten und Erzählungen deutschsprachiger Autoren, beginnend 1900 mit Arthur Schnitzler und Paul Scheerbart, endend 1980 mit Jurek Becker. Viele meiner Vorlieben und Entdeckungen verdanke ich dieser Sammlung.

  3. An diese fünf Bände habe ich schon lange nicht mehr gedacht. Wahrscheinlich hat sich der umfangreiche Kanon MRRs davor geschoben. Aber Du hast natürlich Recht: Diese Anthologie gehört zu den sehr guten. Ich werde mir in den nächsten Tagen auch noch einmal die Deutschen Gedichte ansehen, die er herausgegeben hat.

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