Aus meinem Poesiealbum (XXVII) ‒ Die jungen Frauen von heute von gestern

Ich wünschte, die jungen Frauen von heute würden sich ein Beispiel an ihr nehmen. Wenn sie sich aufmerksam vor Augen führten, wie Camilla als selbstbestimmte erwachsene Jungfrau nach Lust und Laune mit dem Köcher um die Schulter die weiten Felder, Wälder und Verstecke der wilden Tiere durchstöberte, wie sie sich ständig bemühte, alle verführerischen körperlichen Gelüste zu unterdrücken, wie sie jeglichen Genuss und jegliche Sinnlichkeit, alle erlesenen Speisen und Getränke ablehnte und mit Beharrlichkeit nicht nur die Umarmungen von, sondern auch die Unterhaltungen mit gleichaltrigen Männern zurückwies, würden sie lernen, was für ein Verhalten für sie im väterlichen Haus angemessen wäre, was für einen in den Tempeln und was für eines im Theater, wo eine große Menge an Zuschauern und die strengsten Sittenwächter zusammenkommen. Sie würden auch lernen, ehrlosen Menschen kein Gehör zu schenken, ihre Zunge in Schweigsamkeit zu zügeln, ihre Blicke mit Ernsthaftigkeit zu kontrollieren, ihre Manieren im Zaum zu halten und ihre gesamte Gestik anständig zurückzuhalten sowie Müßiggang, Festmähler, übermäßigen Luxus, Tanzen und die Gesellschaft junger Männer zu meiden. Sie würden merken, dass es unfromm und mit Keuschheit unvereinbar ist, nur das zu begehren, was einem gefällt, und alles zu tun, was erlaubt ist. So würden sie einsichtiger werden und, ihren Eltern gehorchend, in der Blüte ihrer lobenswerten Jungfräulichkeit als reife Frauen zum Altar schreiten.

Giovanni Boccaccio: Von berühmten Frauen. S. 44 f.

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