Jahresrückblick 2013

Auch für das vergangene Jahr ein Rückblick auf meine drei besten und drei schlechtesten Lektüren des Jahres. Dieses Mal mit einer strengen Teilung von Klassikern und Neuerscheinungen.

Die drei besten Lektüren des Jahres 2013:

  1. Paul Feyerabend: Briefe an einen Freund – ein sehr menschliches Buch, aus dem vielleicht kommende Jahrhunderte ersehen könnten, dass nicht alle Menschen der sogenannten westlichen Kultursphäre des 20. Jahrhunderts dem Wahnwitz verfallen waren.
  2. Theodor Fontane: Effi Briest – ein durch und durch wundervoller Roman, der auch in sieben Lektüren nicht auszulesen ist.
  3. Uwe Johnson: Jahrestage – einer der großen und bedeutenden deutschen Romane des 20. Jahrhunderts.

Die drei schlechtesten Lektüren des Jahres 2013:

  1. David Markson: Wittgensteins Mätresse – wahrscheinlich nicht wirklich schlecht, aber eine Enttäuschung gemessen an der Stellung, die dem Buch in der Geschichte der literarischen Postmoderne zugeschrieben wird.
  2. Friedrich von Borries: RLF – triviales, unverbindliches und schlecht erfundenes Gefasel um einen Volldeppen aus der Werbebranche.
  3. Paul Boghossian: Angst vor der Wahrheit – ein weiteres Beispiel dafür, wie abgrundtief dumm hoch intelligente und gebildete Menschen sein können.

Friedrich von Borries: RLF

Alle Wege führen unweigerlich
in die Perversität
und in die Absurdität
Wir können die Welt nur verbessern
wenn wir sie abschaffen
Thomas Bernhard
Der Weltverbesserer (1978)

Borries-RLFBücher, nach deren Lektüre man sich nicht sicher ist, ob es sich beim Autor um einen Volldeppen handelt, sind vielleicht nicht die schlechtesten. Die besten sind es aber sicherlich nicht.

„RLF“ – die drei Buchstaben stehen für „das richtige Leben im falschen“, einer Negation eines zum Schlagwort verkommenen Satzes von Adorno; der Anklang an die RAF ist beabsichtigt und fast noch das Netteste am ganzen Buch – erzählt die Geschichte von Jan, einem ganz normalen, notgeilen Arschloch aus der Werbebranche, der von ein paar Möchtegern-Revolutionären dazu benutzt wird, um an Geld zu kommen. Um ihn wieder loszuwerden, lässt ihn der Autor am Ende besoffen vom Balkon eines Luxushotels in Venedig fallen. Ist nicht schade drum.

Jan wird auf den grandiosen Einfall gestoßen, die Revolution als kapitalistisches Kunstwerk zu vermarkten. Zu diesem Zweck tut er, was er am besten kann: voller Pathos dummes Zeug quatschen. Das ganze Buch bewegt sich mit seinen Pappkameraden knapp unterhalb des Reflexionsniveaus von „Narziß und Goldmund“. Auch nur für einen Moment zu versuchen, sein substanzloses Gewäsche mit Adorno in Beziehung zu setzen, hieße, es maßlos zu überschätzen. So wie die Welt.

Unterbrochen wird die Fiktion durch Auszüge aus Interviews mit tatsächlichen Revolutionären der heutigen Zeit zur Frage nach der Möglichkeit des richtigen Lebens im falschen (das Falsche ist bei Adorno übrigens die Inneneinrichtung). Ein paar von ihnen haben auch etwas zu sagen. Zwei scheinen sogar irgendwann einmal Adorno gelesen zu haben.

Wohlgemerkt: Es könnte sich bei alle dem auch um eine Satire handeln; wirklich zu erkennen ist das nicht. Ich fürchte aber, dass der Autor irgend etwas ernst meint; nur was er ernst meint, steht nicht im Buch. Ist auch nicht nötig, verkauft sich auch so, wenn nur richtig Werbung gemacht wird. Bei Suhrkamp. Um 13,99 €.

Friedrich von Borries: RLF. Das richtige Leben im falschen. Berlin: Suhrkamp, 2013. Klappenbroschur, 252 Seiten. 13,99 €.