Michael Chabon: Wonder Boys

978-3-462-04027-2Ein weiterer Pittsburgh-Roman von Michael Chabon, diesmal aus der Perspektive eines Creative-Writing-Professors erzählt, der an einem Wochenende die Zuspitzung und Lösung seiner Lebenskrise durchlebt. Hintergrund bildet ein Literaturfestival des Colleges, an dem der Ich-Erzähler Grady Tripp arbeitet. Er hat vor einigen Jahren eine Reihe erfolgreicher Romane geschrieben, sitzt aber nun schon seit sieben Jahren an seinem nächsten Buch mit dem Titel Wonder Boys. Er ist ihm etwas aus den Fugen geraten, denn obwohl sein Ende noch in weiter Ferne zu liegen scheint, hat Tripp bereits mehr als 2.600 Seiten geschrieben.

Für das Wochenende des Literaturfestivals hat sich nun Tripps Lektor angesagt, der auf Tripps Roman zur Rettung seiner Karriere hofft. Am selben Tag, an dem Tripp seinem Lektor also wahrscheinlich gestehen muss, dass es vom Ende seines Romans weiter entfernt zu sein scheint als je zuvor, verlässt ihn außerdem noch seine Frau und seine Geliebte, die Rektorin seines Colleges, teilt ihm mit, dass sie schwanger von ihm ist. Und als sei dies nicht genug, muss er sich der Annäherungsversuche einer seiner Studentinnen erwehren und sich um einen seiner begabtesten Studenten kümmern, der suizidgefährdet zu sein scheint oder wenigstens so tut, als sei er es, und auch sonst ein Talent dafür hat, sich in Schwierigkeiten zu bringen.

Trotz des etwas abgegriffenen Themas – Krise eines alternden Autors – ist Chabon ein humorvoller und gut lesbarer Roman gelungen. Das Figurenensemble ist reichhaltig – beinahe zu reichhaltig; so lässt Chabon etwa einen zu Anfang eingeführten Transvestiten bald wieder verschwinden, da er offenbar nichts weiter mit ihm anzufangen weiß –, die Situationskomik gelungen und das Ende erträglich, wenn auch, nach dem vorangegangenen Chaos, ein wenig zu harmonisch. Aber Komödien müssen eben mit der Rettung des Protagonisten enden.

Michael Chabon: Wonder Boys. Deutsch von Hans Hermann. KiWi 1064. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2008. 384 Seiten. 8,95 €.

P. S.: Die Verfilmung des Romans mit Michael Douglas und Tobey Maguire in den Hauptrollen ist durchaus sehenswert, wenn sie sich auch einige Eingriffe ins Buch erlaubt.

Michael Chabon: Die Geheimnisse von Pittsburgh

978-3-462-03946-7 Erstlingsroman nach dem bewährten Strickmuster »der letzte Sommer der Jugend«. Ich-Erzähler ist der Student der Volkswirtschaft Art Bechstein, dessen Vater ein hochrangiges Mitglied einer nicht näher bezeichneten jüdischen Verbrecher-Organisation ist. Erzählanlass ist die Begegnung Arts mit dem homosexuellen Arthur Lecomte, der es offensichtlich auf eine Liebesbeziehung mit Art abgesehen hat, und der Bibliothekarin Phlox Lombardi, die dieselben Absichten verfolgt. Als weitere wichtige Figur tritt der Alkoholiker und Rocker Cleveland Arning hinzu, der für Arts Onkel Lenny Wucherzinsen eintreibt, aber gern ein richtiger Krimineller wäre.

Im Zentrum der locker gestrickten Handlung steht die emotionale Verwirrung Arts, der sich sowohl in Arthur als auch in Phlox verliebt und mit beiden eine Zeitlang eine Liebesbeziehung führt. Beide Beziehungen scheinen weitgehend von der Sexualität bestimmt zu sein, jedenfalls konnte ich – auch entgegen den Beteuerungen des Ich-Erzählers – keine andere Motivation entdecken. Immerhin gelingt dem Autor ein eher unerwartetes Ende de Romans.

Das Buch hat alles, was solch ein Buch braucht: Ein bisschen abseitigen Sex, ein paar albern unbeschwerte Szenen einer verklingenden Jugend, ein paar Besäufnisse, ein wenig Eifersucht, eine überwältigende Schönheit – Jane Bellwether –, die mit einem anderen liiert ist, und nicht zuletzt den morbid gefährlichen Hintergrund einer jüdischen Mafia. Einzig Drogen spielen – abgesehen vom Alkohol – erfreulicherweise keine bedeutende Rolle im Buch. Wenn man als Leser das Strickmuster erkennt und nicht mehr selbst in dem Alter des Erzählers ist, hat das Buch einige Längen, die aber tolerabel sind. Eine nette Lektüre, doch sollte man nicht zu viel erwarten.

Michael Chabon: Die Geheimnisse von Pittsburgh. Aus dem amerikanischen Englisch von Denis Scheck. KiWi 1011. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2008. 302 Seiten. 8,95 €.