James Fenimore Cooper: Der letzte Mohikaner

Cooper wird von den meisten deutschen Lesern als eine Art von us-amerikanischem Karl May angesehen. Das liegt natürlich daran, dass ihn viele nur als Autor des „Lederstrumpf“ kennen und das zumeist noch aus für die heranreifende Jugend bearbeiteten Ausgaben, die das fünfbändige Werk zumeist auf das irokesischste grausamste zusammenstreichen und auf den reinen Abenteuerplot reduzieren. Hanser hat nun vor knapp zehn Jahren den in Deutschland bekanntesten Roman des Zyklus als Klassiker neu herausgegeben, das heißt, neu übersetzt und philologisch ordentlich ediert und kommentiert, wie sich das für einen klassischen Text gehört. Dabei hat die Herausgeberin und Übersetzerin Karen Lauer ganze Arbeit geleistet: Sie macht die Unterschiede der drei zu Lebzeiten Coopers entstanden Ausgaben (1826, 1831 und 1850) sichtbar, nimmt den Text in all seinen Details und Tendenzen ernst und liefert ein kenntnisreiches Nachwort und ebensolche Anmerkungen zum Text.

Der Plot ist kurz erzählt und für ein Abenteuer-Buch genau richtig: Die Handlung spielt im Jahr 1757, also während des Siebenjährigen Krieges, in der Gegend um Fort William Henry am Südufer des Lake George im nördliche Teil des Staates New York. Im Zentrum steht eine kleine Gruppe von Weißen: ein Major Duncan Heyward, der versucht, die beiden Töchter, Alice und Cora, des kommandierenden Offiziers von Fort Henry, Oberst George Munro, in aller Stille zu ihm zu bringen. Dieser Gruppe schließt sich der fromme Sänger David Gamut an, der nicht nur als ebenso gottgläubiger wie vorerst unnützer Vorzeigechrist fungiert, sondern in der späteren Handlung durchaus eine Schlüsselrolle zugespielt bekommt. Geführt wird die Gruppe von einem Indianer, Magua, der sich nur allzu bald als der Hauptbösewicht des Textes erweisen soll. Die Gruppe trifft nach kurzer Reise auf Natty Bumppo, genannt Falkenauge, und seinen indianischen Freund Chingachgook und dessen Sohn Uncas. Natty Bumppo und Chingachgook verbinden den Roman mit dem 1823 erschienen Die Ansiedler, dessen Handlung allerdings deutlich später spielt und die beiden Freunde als alte Männer vorführt.

Natürlich gerät die Gruppe bald in Gefahr durch feindliche Indianer, vor denen sie sich zwar eine Weile verstecken können, von denen sie aber schließlich angegriffen und zum Teil gefangen genommen werden. Ebenso natürlich entziehen sich die drei Helden des Romans dem feindlichen Zugriff und nehmen die Verfolgung auf. Am Ende spitzt sich das Geschehen zu auf die Befreiung einer der Töchter Munros, die der Schurke des Romans unbedingt zu seiner Squaw machen will.

Eingebettet in diesen Abenteuer-Plot findet sich die Beschreibung des historischen Massakers, das 1757 an der abziehenden englischen Besatzung von Fort William Henry durch feindliche Indianer unter Duldung des französischen Militärs verübt wurde. Dieses grausame Abschlachten von Menschen, denen freies Geleit zugesichert worden war, stellt eines der Kriegsverbrechen in der Auseinandersetzung zwischen den Engländern und Franzosen in der Zeit des Siebenjährigen Krieges in Nordamerika dar. Mit der Darstellung dieses Ereignisses macht Cooper seinen Letzten Mohikaner zum ersten us-amerikanischen Beispiel für den kurz zu vorher erst erfundenen Historischen Roman.

Zudem wird der Abenteuer-Plot durch eine weitgehend un­vor­ein­ge­nom­me­ne Schilderung indianischer Bräuche und Sitten ergänzt, ja Cooper versucht tatsächlich so etwas wie ein objektives Bild vom Leben in der Wildnis der Staaten vor Gründung der USA zu liefern. Sicherlich war auch er nicht frei von Vorurteilen und das für die Spannung der Handlung erforderliche Schwarz-Weiß seiner Darstellung ist ebenfalls nicht unbedingt förderlich, aber alles in allem liefert er ein wirklichkeitsnahes und durchweg informatives Portrait der in den Krieg der Weißen verwickelten Indianerstämme.

Allen, die daran interessiert sind, warum Cooper eben nicht nur ein amerikanischer Karl May, sondern bedeutend mehr war, sei dieses sorgfältig gemachte und gut ausgestatteten Buch empfohlen.

James Fenimore Cooper: Der letzte Mohikaner. Ein Bericht aus dem Jahre 1757. Aus dem Englischen von Karen Lauer. München: Hanser, 2013. Leinen, bedruckter Vorsatz, Fadenheftung, Lesebändchen, 656 Seiten. 34,90 €.

3 Gedanken zu „James Fenimore Cooper: Der letzte Mohikaner“

  1. S e h r gut, daß Sie auf dieses Buch und Cooper insgesamt hinweisen, der tatsächlich sehr, sehr weit von May entfernt ist, alleine stilistisch. Doch schon Arno Schmidt hat mit leider wenig Erfolg für Cooper eine Lanze gebrochen, die man halt wegen der angeblich kindgerechten Verunstaltung der Pentalogie für eine aus Gummi oder Plastik hielt, für eine, meine ich, Spielzeugwaffe. (Swifts Gulliver hat sowas noch schwerer getroffen; d a ist es sogar ekelhaft).
    Ich selbst habe hier die – „unabridged“ – englischsprachige Ausgabe des „Deerslayers“, „Wildtöters“, und Ihr Hinweis brachte mich dazu, nach langer Zeit wieder hineinzuschauen (die vier nächsten ungekürzten Romane habe ich als eBook). Sofort las ich mich fest, und zwar bereits im „preface“: „This book has been written without many misgravings as to its probable reception. To carry one and the same character through five several works would seem to be a wilful overdrawing on the good nature of the public, and many persons may very reasonable suppose it an act, of itself, that ought to invite a rebuke.“
    Wer so beginnt, hat etwas zu sagen, zumal wenn er frech fortfährt: „To this natural objection, the author can only say that, if he has commited a grave fault on this occasion, the readers are in some measure answerable for it.“

    Es grüßt
    ANH

    1. Der Nachtwächter dankt aufs Schönste!

      Cooper ist überhaupt seiner Zeit weit voraus, was dann bei späterer Gelegenheit mal besprochen werden muss: In den „Ansiedlern“ etwa thematisiert er bereits die Folgen eines Raubbaus an der Natur und der Überbevölkerung des Landes. Ein durch und durch überraschender und in D erst zu entdeckender Autor – trotz der schon erwähnten Vorarbeit Arno Schmidts, die uns immerhin die Littlepage-Trilogie in bester Ausstattung geschenkt hat.

  2. Lieber Marius,
    jetzt hast Du mir ein wenig Appetit gemacht, diesen Band endlich zur Hand zu nehmen und zu lesen. Ich denke immer, dass es diese Abenteuerdinger für mich nicht mehr braucht, aber es steckt dann wohl doch mehr drin. Danke.
    Grüsse aus dem Pleistozän,
    Lena

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