Allen Lesern ins Stammbuch (66)

Und er lehrte sie und sprach zu ihnen: Seht euch vor vor den Schriftgelehrten, die gern in langen Gewändern gehen und lassen sich auf dem Markt grüßen und sitzen gern obenan in den Synagogen und am Tisch beim Mahl; sie fressen die Häuser der Witwen und verrichten zum Schein lange Gebete. Die werden ein umso härteres Urteil empfangen.

Markus 12, 38–40

Beowulf

beowulf Der Insel Verlag hat pünktlich zur Verfilmung des Beowulf eine Prosaübersetzung des altenglischen Textes durch Gisbert Haefs vorgelegt. Haefs arbeitet auf der Grundlage der Versübertragung von Martin Lehnert, erfindet aber einen Prolog hinzu, in dem das Manuskript des Beowulf von einem Klosterschreiber an seinen Bruder übersandt wird, um es vor dem Zugriff des Abtes zu schützen, der eine frühere Fassung des Textes habe vernichten lassen, da sie zu unchristlich geraten sei. Haefs versucht mit diesem Prolog, die christlichen Elemente des Textes – z. B. die Deutung Grendels als eines Nachkommens der Sippe Kains – als eine spätere, dem eigentlichen Text sekundäre Schicht zu markieren, die der Leser als verfälschende Überlagerung und unzulässige Aneignung des Stoffes wahrnehmen soll. Man mag dazu stehen, wie man will, muss aber wohl anmerken, dass Haefs antiklerikaler und wahrscheinlich auch antichristlicher Impetus nicht viel besser ist als die von ihm markierte Usurpation des Stoffes.

Man kann Haefs Übertragung zugutehalten, dass sie eine knappe und zeitgemäße Version des Stoffes präsentiert, die bei aller rhetorischer Lakonie – viel Formelhaftes der Vorlage wird einfach weggelassen – nicht auf einen markanten Ton und eine elegante, deutlich rhythmisierte Prosa verzichtet. Insoweit eignet sie sich wahrscheinlich für die meisten Leser, die vorerst einmal an der stofflichen Ebene interessiert sind, besser als andere Übertragungen für eine erste Bekanntschaft. Später lässt sich dann ja immer noch auf eine der dem Original näherstehenden Übersetzungen zurückgreifen.

Das Epos selbst ist recht fragmentarischer Natur und erzählt zwei Episoden aus dem Leben des Gauten-Königs Beowulf: Seinen Kampf mit dem Monster Grendel und dessen Mutter und seinen letzten, für ihn tödlich verlaufenden Kampf gegen einen Drachen. Ansonsten werden viele Humpen Bier getrunken und weitere Heldengeschichten zum Besten geben – wie man sich bei Heldens daheim eben so zu unterhalten pflegt: »Weißt Du noch, wie wir damals beim alten Finn die Met-Halle unter Blut gesetzt haben?« Dem Text fehlt eine unheldische Ebene beinahe komplett; nur bei den seltenen Auftritten von Frauen lässt er wenigstens erahnen, dass es noch mehr als Schwertschwingen, Monstererschlagen und Biersaufen im Leben geben könnte. Es scheint mir daher mehr als verwegen, wenn diese altenglische Rabaukengeschichte in einem Atemzug etwa mit Homers Epen genannt wird. Die derzeitige Aufmerksamkeit ist wohl eine Folge der wieder einmal ausgebrochenen Tolkien-Hysterie, da der Autor des Lord of the Rings für die Überbewertung dieses Textes maßgeblich mitverantwortlich ist.

Beowulf. Übertragen von Gisbert Haefs. it 3306. Frankfurt/M.: Insel Verlag, 2007. 136 Seiten. 7,00 €.

Tipp zum Fest

Wenn man an Weihnachten in der hl. Messe neunerlei Holz schneidet und es mit der Hand so vor Augen hält, daß man dadurch hinaussehen kann, so werden alle Hexen kennbar; man erkennt sie daran, sie haben alle Melkeimer auf dem Kopf, rückwärts in den Bänken stehend. Man muß sich aber gleich nach der hl. Messe aus der Kirche machen, sonst verfolgen einen die Hexen und thun einem Uebles an.

Birlinger/Buck
Sagen, Märchen und Aberglauben

Probieren Sie’s nur aus!