Eine kleine Geschichte der lateinischen Sprache von den Anfängen bis in die Gegenwart liefert das Büchlein. Es zielt offensichtlich auf eine breitere Leserschaft ab und ist daher mit seinem saloppen Ton etwas oberflächlich geraten, was aber die Zielgruppe, die von lateinischer Literatur und ihren Autoren nur wenig wissen wird, nicht weiter stören sollte. Mir ist der Enthusiasmus des Autors etwas auf die Nerven gegangen, ebenso wie seine Manier, seine antikommunistische Idiosynkrasie zu thematisieren. Ein neutralerer Ton hätte dem Buch gutgetan: Es ist nicht nötig, einen Journalisten der Süddeutschen Zeitung ein Internat in Malawi »heimsuchen« zu lassen, ebensowenig den Pädagogen Herbart als »griesgrämig« zu bezeichnen, nur weil er das Argument, Latein schule das Denken, für Unsinn hält. Auch hat sicherlich Karl Marx nicht die Bezeichnung Kommunismus statt Humanismus benutzt, weil er »Angst« hatte, »ein Humanistisches Manifest […] in Latein schreiben zu müssen.« Und ganz sicher ist die Vorherrschaft des Englischen in den modernen Wissenschaften nicht »verheerend«, sondern höchstens bedauerlich oder unangemessen. Hier und an vielen anderen Stellen wäre es angebracht gewesen, wenn der Autor seinen Humor ein wenig die Zügel hätte spüren lassen.
Die historische Darstellung ist durchtränkt von einer fachlich nicht unkomischen Cicero-Begeisterung Strohs, die aber angesichts der Tatsache, dass Cicero heutzutage gewöhnlich als eine Art Schulbuch- Autor angesehen wird, als ausgleichende Ungerechtigkeit begriffen werden kann. Die historische Darstellung legt das Schwergewicht auf die römische Antike und dann wieder auf die Neuzeit. Das lateinische Mittelalter wird etwas summarisch abgehandelt und der Leser dann auf Ernst Robert Curtius’ Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter verwiesen, wo er sich allerdings gehörig umgucken dürfte, falls er hier eine Fortsetzung Strohs erwarten sollte.
Insgesamt ein inhaltlich nicht unproblematisches Buch, das aber als Einstieg ins Thema weitgehend konkurrenzlos dasteht und dem Laien wahrscheinlich nützliche Dienste leisten wird. Wer eine römische Literaturgeschichte sucht, sollte besser zur Geschichte der römischen Literatur von Manfred Fuhrmann (Stuttgart: Reclam, 1999) greifen.
Wilfried Stroh: Latein ist tot, es lebe Latein! Kleine Geschichte einer großen Sprache. Lizenzausgabe. Frankfurt/M.: Büchergilde Gutenberg, 2007. Bedruckter Leinenband, Lesebändchen, 415 Seiten. 15,90 € (nur für Mitglieder der BG).

Schmidt hat für die Erstausgabe des Buches zwei kleine Zeichnungen angefertigt, die vom Verlag als Vorsatz vorn und hinten im Buch eingesetzt wurden. Die vordere ist links zu sehen und zeigt das Schema der Mayschen Landschaften: Eine Wüste oder Ebene durchzogen von einer Schlucht, in deren Mitte sich ein meist kreisrunder See findet. Dieses Muster findet Schmidt immer und immer wieder, und es bestimmt – um einen weiteren Schritt abstrahiert – auch den Aufbau jenes Planeten Sitara in Mays »Das Märchen von Sitara«. Von Busen und Schößen keine Spur.
Wendet man sich aber dem hinteren Vorsatzpapier zu, findet man dort eine ganz andere Zeichnung. Hier lässt die skizzierte Landschaft leicht die von Lewitscharoff angeführten Assoziationen zu. Nun muss man das Buch allerdings gelesen haben, um auf den letzten Seiten zu erfahren, dass hier gar keine Landschaft Mays abgebildet ist, sondern die idealtypische Landschaft bei Adalbert Stifter, wenigstens in Schmidts Lektüre. Schmidt führt diesen zweiten Fall als Unterstützung seiner allgemeinen These von der »unbewußten Abbildung von Leibreizen in der Literatur« an, wie das Phänomen in »Kundisches Geschirr« genannt wird. Ob etwas und eventuell was an Schmidts These dran ist, kann hier getrost unerörtert bleiben.


