Juan Eduardo Zúñiga: Iwan S. Turgenjew

Als ich neulich wieder einmal bei Turgenew vorbeikam, fiel mir auch dieses lang eingestaubte Insel-Taschenbuch in die Hand. Diesmal habe ich hineingeschaut; ich hätte es besser gelassen.

Der Text wurde in Deutschland als Biographie verkauft, obwohl ihn sein Autor im Vorwort völlig zu Recht einen Essay nennt, und man darf hier ungeniert an Tucholsky denken: „Und wenn es gar nichts geworden ist, dann sag, es sei ein Essay.“ Das Büchlein präsentiert weitgehend nichts als wirres Geschwätz, zusammengesuchte Einsichten, die in lockerer assoziativer Manier aneinandergereiht werden, ohne dass sich aus ihnen mehr ersehen ließe, als dass eben dieser und jener mal dies oder das über Turgenew gesagt habe und was man sonst noch so denken könne.

Von sehr jung an war er sich bewußt, daß er auf Frauen attraktiv wirkte, und in einigen Fällen lässt sich beobachten, wie er diese Macht sogar bei denen ausübt, die reine ›Vermittlerinnen‹ waren, eine Kategorie, in welche die Frau von Traditionen und weltlichem Leben gerne eingereiht wird.

Und solche Sätze sind bei weitem nicht die Schlimmsten.

Das ganze Buch ist ein unlesbares Gewäsche. Dass es überhaupt übersetzt und gedruckt wurde, lässt mich einen internationalen Mangel an soliden Turgenew-Biographien vermuten; wenigstens scheint auf Deutsch derzeit überhaupt nichts Vernünftiges lieferbar zu sein. Hinweise dazu wären sehr willkommen.

Juan Eduardo Zúñiga: Iwan S. Turgenjew. Eine Biographie. Aus dem Spanischen von Peter Schwaar. it 2744. Frankfurt/M.: Insel, 2001. Broschur, 277 Seiten. Zum Glück nur noch antiquarisch greifbar.

Der Schatten des Windes

zafonIch habe seit langer Zeit keinen Roman dieser Art mehr gelesen, das heißt einen, der nicht mehr will, als eine spannende, geheimnisvolle Geschichte vor einem vagen historischen Hintergrund zu erzählen. Präsentiert wird eine doppelte Biographie: Die Daniel Semperes, Sohn eines Antiquars in Barcelona, der als Zehnjähriger von seinem Vater in ein Geheimnis eingeweiht wird. Sie besuchen zusammen eine verborgene Bibliothek, voller vergessener – weil unter der Franco-Diktatur verbotener – Bücher, und Daniel darf sich ein Buch mitnehmen, um es zu adoptieren und dafür zu sorgen, dass es nicht endgültig verschwindet. Zufällig wählt er den Roman »Der Schatten des Windes« von einem beinahe verschwundenen Autor namens Julián Carax aus, an dessen Biographie sich Daniels weiteres Leben erstaunlich eng anschließen wird. In der nun bald über ihn hereinbrechenden Pubertät werden der Roman und sein verschollener Autor bald zu einer Obsession Daniels, nurmehr übertroffen von seiner Liebe zu Bea Agiular. Er stört durch seine Nachforschungen bald allerlei Geheimnisse auf und verstrickt sich in einer alten tragischen und hasserfüllten Rachegeschichte.

Das Buch ist routiniert geschrieben und zeugt von der erzählerischen Potenz Zafóns. Es spielt souverän mit Mustern des Detektiv- und des Schauerromans, verfügt über eine gelinde Breite sprachlicher Stile und hat sogar Humor. Ansonsten ist es flach wie ein Bügelbrett und verfügt in etwa über den Tiefgang eines Suppentellers. Das überzuckerte Ende ist zwar schwer erträglich, doch abgesehen davon bietet das Buch eine »rattling good story« und stellt wohl das dar, was Leser gemeinhin eine Urlaubslektüre nennen.

Carlos Ruiz Zafón: Der Schatten des Windes. Aus dem Spanischen von Peter Schwaar. st 3800. Frankfurt/M.: Suhrkamp Taschenbuch Verlag, 2005. Broschur, 563 Seiten. 9,90 €.