Katja Lange-Müller: Böse Schafe

lange-mueller_schafe Ein weiteres Buch von Katja Lange-Müller mit einem Tiertitel. Diesmal bin ich nicht bis zu der Stelle gekommen, an der der Titel aufgelöst wird. Nachdem ich bislang nur kürzere Erzählungen der Autorin gelesen habe, die immer wenigstens das Epitheton »nett« verdient hatten, habe ich mich für diesen sogenannten Roman nicht erwärmen können: Die Ich-Erzählerin war mir aus den früheren Büchern nur zu bekannt und ihr Geliebter ist nicht nur maulfaul, sondern sobald er ihn aufmacht, bemerkt der Leser, dass es eine kluge Entscheidung der Autorin war, ihn zuvor den Mund halten zu lassen. Nachdem mich nach 55 Seiten – immerhin ein gutes Viertel des Buches – keine einzige Figur auch nur eine Spur interessierte und ich feststellte, dass es mir gänzlich gleichgültig geblieben war, wie die beiden Liebenden zu ihrem vorausgesagten Ende kommen, habe ich die Lektüre abgebrochen.

Katja Lange-Müller: Böse Schafe. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2007. Pappband, Lesebändchen, 205 Seiten. 16,90 €.

Ayn Rand: Atlas Shrugged

rand_atlas Ziemlich fürchterliches Machwerk aus den 50er Jahren, geschrieben von einer russischen Emigrantin, die versucht, liberaler als Adam Smith zu sein. Es scheint bis heute in den USA eine nicht unbeträchtliche Anzahl von »Anhängern« zu haben. Dabei handelt es sich weniger um ein literarisches Werk, als vielmehr um eine ideologische Abhandlung im Gewand eines fiktionalen 1.000-Seiters. Die Autorin hatte ursprünglich erhebliche Schwierigkeiten, einen Verlag für ihr Machwerk zu finden, da alle vernünftigen Leute ihr anrieten, das Buch erheblich zu kürzen. Dass sie sich schließlich durchgesetzt hat, entspricht ganz und gar der rechthaberischen und verbiesterten Grundhaltung, die dieses gänzlich humorlose Werk auszeichnet.

Erzählt wird von einer zeitlich nicht genauer bestimmten utopischen Zukunft. Technisch scheint man sich in etwa auf dem Niveau der 30er-Jahre zu befinden: Eisenbahnen bilden das hauptsächliche Fernverkehrsmittel, Flugzeuge sind noch keine ernsthafte Konkurrenz zur Eisenbahn, Automobile aber schon gebräuchlich; neben Zeitungen ist das wichtigste Massenmedium das Radio, während das Fernsehen nicht zu existieren scheint. Dieser technologisch relativ genauen Ortsbestimmung, steht eine gänzlich fiktive Weltordnung gegenüber: Der Großteil der Länder in Europa und Südamerika scheint sozialistisch oder kommunistisch organisiert zu sein, was nahezu ausschließlich in der Bezeichnung all dieser Länder als »Volksrepubliken« zum Ausdruck kommt – die Autorin bleibt genauere Auskünfte darüber, wie diese Länder tatsächlich staatlich organisiert sind ebenso wie über vieles andere schuldig. Zumindest in den USA und Argentinien scheint der Privatbesitz an Produktionsmitteln aber nicht eingeschränkt zu sein. Doch herrscht in den USA keine freie Marktwirtschaft, da das wirtschaftliche Geschehen von mächtigen Interessenverbänden, die als legale Kartelle agieren, beherrscht wird. Weltweit herrscht Mangelwirtschaft, wobei die Autorin suggeriert, dies sei keine Folge eines objektiven Mangels an Ressourcen, sondern der rigiden wirtschaftlichen Beschränkungen durch die Kartelle bzw. die sozialistischen Regierungen.

Vor diesem Hintergrund wird das Leben Dagny Taggarts erzählt, die zusammen mit ihrem Bruder eines der größten US-amerikanischen Eisenbahn-Unternehmen leitet. Das Unternehmen befindet sich in einer ernsthaften Krise, aus der sich allerdings ein Ausweg weist, den Dagny mit der Hilfe des Stahlfabrikanten Henry Rearden, der gerade eine neue, leichtere und leistungsfähigere Stahlvariante erfunden hat, zu realisieren versucht. Beide stoßen dabei auf heftigen Widerstand der Kartelle – zu deren Vertretern auch Dagnys Bruder gehört –, den sie aber aufgrund ihrer herausragenden Persönlichkeiten und ihres genialen Erfindungsreichtums glanzvoll überwinden können.

Als zusätzliche Schwierigkeit erweist sich, dass das wirtschaftliche Geschehen vom einem Geheimbund beeinflusst wird, dessen mythenumwitterter Anführer John Galt sich im letzten Drittel des 1.000-Seiters in einer dreistündigen Radioansprache offenbart. Ziel dieses Geheimbundes ist es, alle kreativen Köpfe der ganzen Welt aus dem Verkehr zu ziehen, um ihre Ausnutzung durch die mediokre Mehrheit der Menschen zu unterbinden. Das Konzept ist exakt so dämlich, wie es sich anhört.

Da die Fabel des Romans bereits nach einem Drittel ziemlich klar umrissen ist und die zahlreichen Charaktere nahezu ausschließlich funktional bestimmt sind, erschöpft sich das Konzept des Buches rasch. Da es zudem sprachlich und motivisch trivial bleibt, ist es literarisch von keinerlei Bedeutung. Würde es sich darin erschöpfen, wäre es sicherlich längst und zu Recht vergessen.

Was das Buch im Druck hält, ist die vom Anführer vertretene Ideologie, ein kruder moralischer Egoismus, der in der schon erwähnten dreistündigen Radioansprache in einem extrem redundanten Stil ausgebreitet wird. Die Position selbst ist philosophisch indiskutabel, besteht ausschließlich aus einer Aneinanderreihung von Thesen und sogenannten Axiomen in einem sehr minimalistischen argumentativen Umfeld und wird im Ton anmaßender Überheblichkeit vorgetragen. Es scheint für diese Art des Hau-Ruck-Denkens, das sich formal nur unwesentlich von dem der Scientologen oder der Zeugen Jehovas unterscheidet, eine nicht unbedeutende Anzahl von Abnehmern zu geben.

Die Lektüre dieses Buches ist in jeder Hinsicht Zeitverschwendung.

Ayn Rand: Atlas Shrugged. London: Signet, 271997. Broschur, 1079 Seiten. Ca. 7,– €.

Umberto Eco: Das Foucaultsche Pendel

eco_pendel Nach beinahe 30 Jahren aus Neugier die Lektüre eines zweiten Romans von Eco (seine Essays und wissenschaftlichen Publikationen stehen auf einem gänzlich anderen Blatt), da er mir in der letzten Zeit immer mal wieder untergekommen ist und mich interessiert hat, ob sich der Eindruck der Lektüre von Der Name der Rose wieder einstellen würde. Und er hat sich wieder eingestellt; diesmal habe ich die Lektüre allerdings nach 250 Seiten abgebrochen. Auch Das Foucaultsche Pendel ist ein langweiliger Krimi, aufgefüllt mit Material, das Beweis für einen beeindruckenden Fleiß des Autors ist, ansonsten aber nichts anderes als eine in Dialoge umgesetzte, wirre Ansammlung von Referaten anderer Literatur, die ich im Original nicht würde lesen wollen, um so viel weniger in Ecos Inhaltsangaben.

Der Roman dreht sich im Wesentlichen um zahlreiche Lieblingsthemen der europäischen Mystiker und Verschwörungstheoretiker: Im Zentrum stehen die Templer, aber auch Rosenkreuzer und zahlreiche andere ähnliche Gruppen werden nach Belieben ins Treffen geführt. Verbunden ist das alles durch ein dünnes Fähnchen von Handlung, in der sich die handelnden Personen ständig gegenseitig den Inhalt irgendwelcher Bücher erzählen. Da dem Autor selbst klar war, dass eine solche Lektüre für einen nicht dem Wahn verpflichteten Leser insgesamt ungefähr so spannend ist wie die eines Kursbuchs, strickt er eine Rahmenhandlung, in der ein Ich-Erzähler unmittelbar vor der großen Entdeckung steht, auf die hin sich der Leser durch 700 Seiten Stoff quälen soll.

Mir liegt die 18. Auflage der deutschen Taschenbuchausgabe vom De- zember 2006 vor, und ich frage mich, wie einem solch durch und durch wirren und langatmigen Buch solche Best- und Longseller-Qualität zuwachsen kann. Ich muss allerdings gestehen, dass ich schon die Faszination des Rosen-Buches nicht wirklich habe nachvollziehen können. Nur die wenigsten seiner weltweit in die Millionen gehenden Leser kann sich ernsthaft für die Probleme der Bettelorden oder Ecos Anspielungen auf die positivistische Philosophie interessiert haben, die auch dadurch nicht wirklich spannender wurden, dass Eco sich herabgelassen hat, sie denen, die sie nicht von selbst verstanden, ausführlich nachzuweisen und zu erläutern. Nun hatte Der Name der Rose wenigstens einen starken und schillernden Protagonisten wie William von Baskerville, dem in Das Foucaultsche Pendel jegliches Pendant fehlt.

Ich werde Eco hiermit endgültig unter die mir unlesbaren Roman-Autoren ablegen.

Umberto Eco: Das Foucaultsche Pendel. Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber. dtv 11581. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 182006. 841 Seiten. 13,– €.